Fragen & Antworten

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Altes Testament


  • Warum ging Lot nicht aus Sodom weg, obwohl er seine gerechte Seele tagtäglich quälte?

    Nach Gen 19,14 hatten die Töchter Lots in Sodom geheiratet. Die Schwiegersöhne Lots waren offensichtlich gottlos und zu keiner Zeit bereit gewesen, Sodom zu verlassen. Auch Lots Frau scheint das Stadtleben Sodoms dem Nomadenleben (das sie mit Abraham kennengelernt hat) vorzuziehen. So wirft sie in Gen 19,26 noch einen sehnsüchtigen Blick auf die Stadt, obwohl ihr das vom Engel verboten wurde (19,17). 

    Lot wusste vermutlich, dass Sodom der falsche Ort für ihn und seine Familie war. Er sah das sündige Treiben, weswegen seine „gerechte Seele tagtäglich gequält wurde“ (2 Petr 2,7f). Er muss sich vorwerfen lassen, mehr auf seine Angehörigen gehört zu haben – vielleicht um des Familienfriedens willen – als auf sein Gewissen. Gerade als Familienhaupt wäre es seine Aufgabe gewesen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.


  • Ex 20,13: Bezieht sich das Gebot "du sollst nicht töten" auch auf Tiere? Was ist mit Soldaten?

    Im hebräischen Wortlaut wird an dieser Stelle das Wort "Razach" verwendet, welches "morden" und nicht allgemein "töten" bedeutet.


    Mord wird durch das Zusammenfallen von drei Tatsachen definiert:

    (1) Es wird ein Mensch von einem anderen Menschen getötet.

    (2) Der Tötungsvorgang war beabsichtigt.

    (3) Der Tötungsvorgang war unrechtmäßig.


    Wer mit Absicht ein Tier tötet, begeht damit keinen Mord (siehe 1). Auch ein Soldat, der im Einklang mit dem Auftrag des Staates, allemal eines Rechtstaates, agiert, begeht keinen Mord und ist von dem Gebot nicht betroffen (siehe 3).


    Jenseits dieses Gebots gibt die Bibel Anweisungen zum Umgang mit Tieren - so hält Spr 12,10 fest: "der Gerechte erbarmt sich seines Viehs".


    Für Soldaten gilt die Anweisung von Johannes den Täufer: "tut niemanden (unrechtmäßige) Gewalt an" (Lk 3,14).


  • Wurden die Menschen im Alten Testament durch Werke errettet?

    Nein. Hebr 11 widmet dieser Frage ein ganzes Kapitel. Exemplarisch heißt es von Abraham: "Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit" (Gen 12,6). Zwar forderte Gott von Israel das Halten vieler Gesetze (z.B. die gesamten Opfergesetze), doch niemals losgelöst von einer inneren Einstellung des Gott-Vertrauen und der Demut (Ps 51,19). Als sich Israel innerlich von Gott abwandte, wollte er auch ihre Opfergaben nicht mehr (Am 5,21f).

  • Jer 31,3: Dieser Vers (und viele andere) werden oft auf uns Christen bezogen. Ist das legitim? Sie wurden doch vor langer Zeit an Israel gerichtet?

    "Der HERR ist mir erschienen von ferne: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte." (Jer 31,3)


    Es ist erstmal gut und wichtig, wenn man sich die Frage stellt: an wen wurde ein Vers gerichtet? Was wollte der Vers in einer konkreten Situation den ursprünglichen Zuhörern sagen? Was kann ich daraus lernen (z.B. allgemein etwas über das Wesen Gottes, oder eine konkrete Zusage, die mir persönlich gilt?).


    Das Buch Jeremia wurde zur Zeit der Wegführung Israels in die babylonische Gefangenschaft geschrieben. Die ersten 29 Kapitel beschreiben, wie Gott aufgrund der Sünde Israels das Volk "ausreißen und niederreißen" musste (Jer 1,10). Israel war schuldig, den (ersten) Bund, den Gott mit ihm ab Berg Sinai geschlossen hat, gebrochen zu haben. Nun stand eine 70-jährige Wegführung, die "babylonische Gefangenschaft", bevor (Jer 29,10).


    Doch das Buch endet nicht mit diesem langen Abschnitt - Gott blickt weiter in eine Zukunft, in der er wieder "bauen und pflanzen" (Jer 42,10) würde. Gott würde Israel aus lauter Liebe zurückziehen (das ist unser Vers Jer 31,3) und einen neuen Bund mit seinem Volk schließen (Jer 31,31). In sofern bezogen die ursprünglichen Empfänger von Jeremias Botschaft diesen Vers auf ihre Situation.


    Eine Hauptbotschaft des Neuen Testaments ist nun, dass Gott aus allen Völkern Menschen zu sich zieht und sie an diesem zweiten Bund, den er ursprünglich Israel verheißen hat, teilhaben lässt. Der Christ ist zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes gekommen (Hebr 12,24). Das Abendmahl erinnert uns daran, dass wir am zweiten Bund teilhaben (Mt 26,28). Jesus gebrauchte einmal das Bild einer Schafherde, die die Gläubigen Israels symbolisierte und sprach: "ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein." (Joh 10,16). Mit diesen "anderen Schafen" sind alle Menschen gemeint, die Gott aus allen Nationen dieser Welt errettet und seinem Volk - und damit dem Neuen Bund - zugeführt hat. Die Bibel kennt nur ein Gottesvolk (bestehend aus an Jesus Gläubigen Juden und aus an Jesus Gläubigen Nicht-Juden). Dieses Gottesvolk steht unter dem zweiten Bund, den Gott seinen Propheten Jeremia und Hesekiel verheißen und durch Jesus Christus am Kreuz gestiftet hat. Somit ist spätestens seit Jesu Kommen deutlich, dass Jer 31 eine Zielgruppe betrifft, der auch Christen angehören - im Grunde nur Christen angehören (nämlich Juden- und Heidenchristen): nur Christen sind Mitglieder des einen Gottesvolkes, Mitglieder des Neuen Bundes. Die einen kamen aus Babylon, andere kamen aus allen anderen Ecken dieses Planeten - ihnen ist gemeinsam, dass Gott sie aus Liebe zu sich zog.


    Eine spannende Frage wäre noch, ob die ursprünglichen Hörer von Jeremias Botschaft das auch schon so verstehen konnten. Vermutlich haben sie es nicht verstanden, obwohl bereits Jesaja (er lebte ca. 150 Jahre vor Jeremia) dies angekündigt hat: es würde eine Zeit kommen, in der alle Nationen zum Gott Israels strömen würden (Jes 2,1-5). Jesus und vor allem die Apostel haben diese Botschaft dann überdeutlich klar gemacht.

  • Gelten die Gebote des Alten Testaments für uns heute?

    Es muss zwischen den verschiedenen Geboten unterschieden werden. Grundsätzlich hilft die Frage: "warum und zu wem wurde ein konkretes Gebot gegeben?"


    Bereits im ersten Kapitel der Bibel finden wir Gebote, die zeitlos sind und allgemein für die ganze Menschheit gelten: nämlich sich zu vermehren und die Schöpfung zu verwalten (Gen 1,28). Die Ausgestaltung mag individuell unterschiedlich aussehen - so ist dieses Gebot nicht derart zu verstehen, dass jeder Mensch heiraten und Kinder zeugen muss (siehe den Herrn Jesus). In einem allgemeinen, an die Menschheit gerichteten Sinn, kann dies allerdings als ein noch gültiges Gebot verstanden werden.


    Nach der Sintflut schützt Gott nochmal ganz ausdrücklich das menschliche Leben, warnt vor Blutgenuss und ruft zur Vermehrung auf (Gen 9,4-7). Auch hier ist eine universelle, zeitlose Bedeutung vorhanden.


    Weiter finden wir die klassischen "10 Gebote" (Ex 20,3-17). Diese sind Bestandteil des Bündnisses, das Gott mit seinem Volk Israel geschlossen hat - in der Einleitung zu den 10 Geboten hält Gott fest, dass er sein Volk aus Ägypten geführt hat. Wir (Christen) wurden weder aus Ägypten geführt, noch hat Gott am Berg Sinai diesen Bund mit uns geschlossen. Damit gelten diese Gebote erstmal nicht für uns. Doch spiegeln sie das unveränderliche Wesen Gottes wieder: Gott geht es immer um seine Ehre, um die Wahrheit, um das Leben, um die Erhaltung der Ehe etc... und so überrascht es nicht, dass - bis auf das Sabbatgebot - alle Gebote im Neuen Testament aufgegriffen werden und somit auch direkt für die christliche Gemeinde, ja die ganze Menschheit verbindlich sind.


    Weiter finden wir in den Büchern Moses kultische  Gesetze, die den Aufbau des Tempels, Opferhandlungen, Reinheitsgebote etc. beinhalten. Auch diese gelten nicht mehr für uns. Das Neue Testament lehrt, dass diese kultischen Gesetze symbolisch auf das Opfer Jesu hinweisen sollen und in Jesus ihre eigentliche Erfüllung gefunden haben: "Denn das Gesetz hat nur einen Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst" (Hebr 10,1). Unsere Sünden werden nicht mehr durch Opfertiere gesühnt und unsere Reinheit bringen wir nicht mehr durch das Vermeiden von Speisen oder anderer Praktiken zum Ausdruck. Gerade letzteres zeigte Gott plakativ, als er Petrus aufforderte, kultisch unreine Tiere zu essen (Apg 10,13-15). Im bildlichen Sinn können wir aus diesen alten, kultischen Geboten lernen und über die Erfüllung in Jesus nachdenken - wir sind aber nicht aufgefordert, sie einzuhalten. In Kol 2,16f steht: "So lasst euch von niemanden ein schlechtes Gewissen machen, weil ihr irgendwelche religiösen Vorschriften bezüglich Speisen, Getränke, Feste, Neumondsfeiern oder Sabbaten nicht einhaltet. Dies alles sind bloße Vorschatten auf die Wirklichkeit – die Wirklichkeit ist aber mit dem Messias gekommen." (DBÜ)


    Zuletzt beinhalten die Bücher Mose (vor allem das Buch Exodus) das Zivil- und Strafrecht des alten Staates Israel. Als Theokratie ("Gottesherrschaft") empfing es seine Rechtordnungen von Gott. Unser Zivil- und Strafrecht ist nicht das des Staates Israel vor 3000 Jahren, sondern die gültige Gesetzgebung unseres Landes - hierauf verweist auch explizit das Neue Testament: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn, es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet" (Rö 13,1).


Neues Testament


  • Wie haben Joseph und Maria es geschafft nicht gesteinigt zu werden, obwohl Maria während der Verlobungszeit schwanger war?

    Erstmal zur Verlobung selbst: die Verlobte galt ab diesem Zeitpunkt bereits als dem Mann "zugehörig", der auch schon den Brautpreis für sie gezahlt hat. Die Verlobungszeit war eine Zeit die beweisen sollte, dass die Frau rein, d. h. als Jungfrau in die Ehe ging.


    Die Strafe der Steinigung wurde dann ausgesprochen, wenn die Verlobte von jemanden anders als ihren Verlobten schwanger wurde (Dt 22,23-24). In diesem Fall bekam der Verlobte den Brautpreis vom Brautvater zurück.


    Wenn eine Frau vom Verlobten schwanger wurde, gab es keine Strafe. Der Verlobte musste sie aber heiraten. Eine ähnliche Regelung galt auch, wenn eine nicht-verlobte Frau schwanger wurde (Ex 22,16f).


    Joseph musste davon ausgehen, dass Maria von jemand anders schwanger wurde. Anstatt sie zur Schau zu stellen und sie steinigen zu lassen, wollte er sie heimlich verlassen. Er hätte keinen Brautpreis zurückbekommen und für andere Menschen wäre es zumindest unklar gewesen, von wem Maria schwanger wurde.


    In Mat 1 steht, wie der Engel Joseph von der Herkunft des Kindes berichtet. Joseph gehorcht der Stimmt des Engels und nahm Maria „zu sich“, d. h. er heiratete sie (Mat 1,24). Somit dachte jeder, dass Joseph der Vater Jesu war (Lk 3,23, Lk 4,22, Joh 1,45, Joh 6,42).


  • Mat 11,12: Wie soll man diesen Vers "Gewalttuende reißen das Reich der Himmel an sich" auslegen?

    Zu diesem Vers gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Auslegungen. 

    (a) Bildhaft, als Aufruf an Gläubige, alles zur „Erstürmung“ des Himmelreiches dranzusetzen.

    (b) Eine negative Beschreibung der Umstände zur Zeit Jesu. 


    Klarheit verschaffen der Wortgebrauch im Vers selbst sowie der Zusammenhang.

    Zum Wortgebrauch: Das hier gebrauchte griechische Wort für „Gewalt“ kommt im NT nur hier und in der Parallelstelle Lk 16,16 vor. Somit muss zur Bestimmung des Bedeutungsfeldes in der Septuaginta (=griechische Übersetzung des Alten Testaments) und im klassischen Griechisch nachgeschaut werden. Hier ist ausschließlich ein negativer Unterton vorhanden (siehe 1Mo 33,11; 2Mo 19,24; 5Mo 22,25+22,28; Ri 13,15f; 19,7; 2Sa 13,25+27; Est 7,8). Der Gebrauch des Wortes „reißen“ kann hingegen sowohl im positiven wie im negativen Zusammenhang gebraucht werden – z. B. im Sinn von „entrücken“ oder „entzücken“ (2Kor 12,2; Offb 12,5). Im Vordergrund steht der plötzliche Charakter der „reißenden“ Handlung.


    Zum Kontext: Mt 11 beschreibt, wie die Ablehnung der Juden einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Nach der Ablehnung vonJohannes des Täufers (V18) wird nun auch der Herr Jesus selbst abgelehnt (V19). Der hier untersuchte Vers 12 fängt mit einem „aber“ an – damit wird ein Gegensatz zum vorherigen Vers betont, der die Größe von Johannes des Täufers beschreibt.


    Ergebnis: Passend zum negativen Wortgebrauch und zum Kontext stellt der Herr Jesus im Vers 12 fest, dass sich Menschen unrechtmäßig einen Zugang zum Himmelreich verschaffen wollten. Sie lehnten die Buße ab (gepredigt durch Johannes den Täufer) und die Gnade (erschienen in der Person Jesu Christi). In den Augen Gottes taten die Juden dem Heilsweg Gewalt an. Der Vers sagt nicht direkt aus, ob dieses „gewaltmäßige an sich reißen des Himmelreichs“ Erfolg haben könnte. Die Zuhörer mussten aber stark davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sein konnte. Vielmehr würde Gott diese Gewalttäter zu richten haben.


  • Mat 13,44-46: wofür stehen der Schatz/die Perle in diesen zwei Gleichnissen?

    In Kurzform sagt es der Text selbst: "Das Himmelreich ist gleich einem Schatz". Der Herr möchte in diesen beiden Gleichnissen den Wert des Himmelreichs verdeutlichen. Wenn ein Mensch  das Himmelreich wirklich für sich entdeckt, erkennt er dessen unschätzbaren Wert und ist bereit alles andere dafür aufzugeben. Die Reaktion des Matthäus auf den Ruf Jesu ist hierfür ein schönes Beispiel (Lk 5,27f). Auch die Aufforderung an den "reichen Jüngling" geht in diese Richtung (Mat 19,21).


    Verschiedentlich wird das Gleichnis so gedeutet, dass Gott den Schatz (bzw. die Perle) der Gemeinde gekauft hätte, u. a. mit dem Hinweis, dass laut Mat 13,38 der Acker für "die Welt" stünde und es Gott ist, der die Gemeinde durch seinen Sohn erkauft hat (und nicht der Gläubige, der sich das Himmelreich erkaufen müsste). Doch in Summe kann diese Auslegung nicht überzeugen:


    - Ein Gleichnis ist ein Stilmittel, um eine signifikante Wahrheit sehr plakativ zum Ausdruck zu bringen (hier: der Wert des Himmelreichs). Ein Gleichnis ist nicht eine Art "Geheimsprache", in der zum Verständnis ein Wort durch ein anderes ersetzt werden muss - schon gar nicht können aus einem anderen Gleichnis Bilder übertragen werden. Das in Mat 13,38 ausgelegte Gleichnis darf also nicht zur Auslegung von Mat 13,44 dienen.


    - Sie verkennt die Auslegung des Herrn, der den Schatz mit dem Himmelreich gleichsetzt.


    - Laut Mat 13,51 haben die Jünger die Gleichnisse verstanden (und sollten sie laut Jesus auch verstehen). Der Ablauf der Heilsgeschichte war ihnen zu diesem Zeitpunkt aber noch verborgen (vgl. Mk 9,31f). Vor allem war ihnen die Bedeutung der neutestamentlichen Gemeinde noch nicht bekannt.


    - Wir lesen in der Bibel nirgends, dass Gott das Konzept der Gemeinde zufällig gefunden hätte (wie der Schutzsucher) oder mühsam "gesucht" hätte (wie der Perlensucher). Mit dem Himmelreich ist es aber genau so: die einen stoßen (aus menschlicher Sicht) "zufällig" im Leben darauf - die anderen suchen lange nach "Erfüllung", bis sie diese im Himmelreich Jesu Christi gefunden haben.


    - Die Tatsache, dass der Schatzfinder bzw. Perlensucher alles verkauften, um den Schatz/die Perle zu erwerben, hebt vor allem den Wert vom Schatz/der Perle hervor und die Freude es gefunden zu haben. Der Punkt der Gleichnisse ist nicht, dass sich jemand den Schatz/die Perle/das Himmelreich erst mühsam verdienen müsste. Wenn jemand merkt, worum es beim Himmelreich geht, ist er ohne zögern und mit Freuden bereit, das Vergängliche aufzugeben (vgl. Paulus in Phil 3,7f).

  • Mat 16,28: Wann / wie kommt Jesus in seinem Reich? Von welchem Tod sprach Jesus?

    In Mat 16 richtet der Herr Jesus den Blick auf den Zweck seines ersten Kommens. Er lehnt es ab, weitere spektakuläre Zeichen vor den Pharisäer zu tun. Ab Vers 21 redet Jesus von seinem Leiden und Sterben. Ab Vers 24 macht er seinen Nachfolgern deutlich, dass sie um seinetwillen ihr eigenes Leben verlieren könnten.


    Die Jünger waren vermutlich total verwirrt. Vielleicht haben einige wie Johannes der Täufer fragen wollen: „bist du der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Was ist mit der Herrlichkeit, die uns im AT verheißen wurde?"


    In diesem Zusammenhang sagt Jesus in Vers 27: „der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wir er einem jeden vergelten nach seinem Tun.“ Hier redet er von seinem zweiten Kommen und vom Gericht, das er dann halten wird.


    Dieses Gericht steht auch heute noch aus. Die letzten Apostel sind vor 1900 Jahren gestorben.


    In Vers 28 sagt Jesus dann voraus,  dass einige von den Jüngern den Tod nicht schmecken sollten (leiblicher Tod), bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich. Dies muss von den Jüngern als starke Ermutigung aufgefasst worden sein.


    In allen drei synoptischen Evangelien (also auch Mk 9,1ff und Lk 9,27ff) kommt nach diesem Vers der Bericht über die Verklärung Jesu. Dort haben einige von den Jüngern, nämlich Petrus, Johannes und Jakobus, vor ihrem leiblichen Tod und vor Jesu zweiter Wiederkunft, Jesus in der verherrlichten Gestalt gesehen, die er einmal bei seiner Wiederkunft haben wird.


    Folgende Gründe sprechen dafür, dass mit Mat 16,28 die Verklärung gemeint ist:

    - Von der Situation her, brauchten die Jünger eine Ermutigung und eine Bestätigung dafür, dass Jesus der vom AT verheißene Messias ist.

    - Die Verklärung würde zur angekündigten Auswahl passen: „einige stehen hier...“. Die Verheißung galt also nicht allen (11-12) Jüngern, sondern nur einer kleineren Auswahl.

    - In allen drei Evangelien folgt auf diesen Vers die Verklärung.

    - Petrus schreibt in 2.Petr 1,16ff vom Ereignis der Verklärung, und spricht dort von der „Macht, Ankunft, Ehre und Herrlichkeit“, die sie dort an Jesus sahen und untermauert damit sein Argument, dass sie keinen Fabeln gefolgt seien. Hiermit schließt sich der Kreis zu Mat 16,28.


  • Mat 18,18: Was bedeutet "binden und lösen"?

    Zu diesem Vers gibt es drei verbreitete Auslegungen:

    (a) Der Vers verweist auf die ausgesprochene (oder nicht ausgesprochene) Vergebung, die nach der Verheißung des Verses auch für Gott wirksam (oder nicht wirksam) sei. Üblicherweise wird zur Begründung auf den direkten Zusammenhang der vorherigen Verse verwiesen („wenn ein Bruder gegen dich sündigt ...", Vers 15ff).


    (b) Eine Erweiterung der Bedeutung auf Entscheidungen der Gemeinde, die auch in der Himmelswelt bindenden oder lösenden Charakter hat. Zur Begründung wird auch hier üblicherweise auf den Kontext verwiesen, der gerade in den folgenden Versen über die eigentliche Vergebungsfrage hinauszuragen scheint.


    (c) Eine Bindung und Lösung von dämonischen Mächten. Zur Begründung wird üblicherweise auf das Wort „was irgend ...“ verwiesen, das sehr allgemein „alles mögliche“ bezeichnen kann – hier im speziellen aber dämonische Mächte bezeichnen soll oder zumindest mit einschließt. Weiter wird auf die Wahl des Wortes „Bindung“ verwiesen, das in Offb 20,3 mit Bezug auf Satan angewendet wird.


    Bei der Auslegung muss wie immer der Zusammenhang berücksichtigt werden. Es stellt sich dann die Frage, wie der Vers bestmöglich in den Zusammenhang hinein passt. Im Vorherigen spricht der Herr Jesus über Gemeindezucht, konkret: den Umgang mit dem Bruder, „der gegen dich sündigt“. Je nach Verhalten gibt es einen doppelten Ausgang: Vergebung und Verbleiben in der Gemeinschaft („... hast du deinen Bruder gewonnen“) oder aber der Ausschluss aus der Gemeinschaft („er sei dir wie der Heide und der Zöllner“). Vers 18 beginnt mit einem „wahrlich“ – ein charakteristisches Wort des Herrn Jesus zur Betonung einer Wahrheit. Das „binden und lösen“ scheint sich zunächst auf den doppelten Ausgang zu beziehen, der in den Versen 15-17 skizziert wurde: Aufnahme oder Ausstoß des Betroffenen aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Die Aussage ist: wenn die Gemeinde über eine solche Entscheidung übereinkommt, kann sich der Betroffene nicht leichtfertig darüber hinwegsetzen (nach dem Motto „was gehen mich menschliche Entscheidungen an?“) – Gott selbst wird hinter der geäußerten Entscheidung der Gemeinde stehen. Der Vers verbietet dabei die Auffassung, dass Gott sich abhängig von menschlichen Entscheidungen machen würde. Der griechischen Grammatik folgend ("wird gebunden sein" / "wird gelöst sein" stehen nicht im Futur, sondern als Partizipien Perfekt), drückt der Vers aus: was die Gemeinde binden und lösen wird, wird im Himmel (bereits) gebunden worden sein. Somit steht am Anfang der Zeitachse der göttliche Beschluss, dem die irdische Ausführung folgt. Die Klarheit der Gemeinde bezüglich des göttlichen Willens wird durch das Gebet erlangt – hierauf verweisen die zwei folgenden Verse.


    Über den unmittelbaren Zusammenhang hinaus, scheint das Wörtlein „was irgend“ auf eine grundsätzliche und allgemeine Wahrheit hinzuweisen, die über die konkrete Anwendung derselben (d.h. hier im Rahmen der Gemeindezucht) hinausgeht: Die Beschlüsse der Gemeinde haben mit den göttlichen Beschlüssen gekoppelt zu sein. Aus Sicht der Gemeinde gilt: im gemeinsamen Gebet wird der Wille Gottes gesucht (V19f) und anschließend umgesetzt. Aus Sicht der durch den Beschluss Betroffenen gilt die ernste Aussage: Gott stellt sich hinter den Beschluss der Gemeinde – dieser ist durch Gebet zustande gekommen und darf nicht leichtfertig missachtet werden. Somit folge ich hier der „Auslegung (b)“ (siehe erster Abschnitt weiter oben).

    Ein direkter Bezug zur „Bindung und Lösung“ von Dämonen ist hier nicht gegeben. Der Kontext legt nicht im Entferntesten nahe, dass dieses hier gemeint sein könnte. Eine Verbindung zu Offb 20 wäre anachronistisch, denn die Offenbarung wurde ca. 70 Jahre nach den Aussagen Jesu verfasst.


  • Mat 27,46: Jesus war doch Gott, wie konnte ihn Gott dann verlassen?

    Einige versuchen diesen Vers so zu interpretieren, dass Jesus am Kreuz "nicht mehr Gott" war. Diese als "Modalismus" bezeichnete Lehre wurde bereits frühzeitig in der Kirchengeschichte diskutiert und als Irrlehre zurückgewiesen (siehe Wikipedia unter "Monarchianismus" -> Abschnitt "Modalismus").


    Jesus trug am Kreuz unsere Strafe (Jes 53,5) - und eine Strafe für die Sünde ist die Gottesferne. Wir können davon ausgehen, dass Gott-Vater seinen Sohn verließ, als die Sünden der Welt auf ihm lagen. Trotzdem legte Jesus sein göttliches Wesen nicht ab - sonst hätte er beispielsweise dem sog. "Schächer am Kreuz" keine Heilszusage machen können (vgl. Lk 5,21b und 23,43). In ihm war noch der Geist Gottes (Lk 23,46; Hebr 9,14). Für Jesus war diese Trennung vom Vater ein einmaliges, schreckliches Erlebnis (Joh 16,32 beschreibt die Regel: "ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir") und buchstäblich mit Höllenqualen verbunden (Hölle, vor allem auch als Ort der ewigen Gottesferne verstanden).


    In Joh 20,17b ist ein Beleg zu finden, dass Jesus seinen Vater auch "Gott" nannte: "Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und zu meinem Gott und eurem Gott!"

  • Mk 9,49f: Welche Bedeutung hat das Salz in diesen Versen?

    Salz wird in der Bibel mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Hier, in Mk 9, nimmt der Herr Jesus bezug auf das jüdische Opferritual, den (Speis-)Opfern Salz beizumengen (siehe 3Mo 2,13). Salz hat zunächst eine konservierende Wirkung - das Gegenstück von Salz wäre Hefe. Um symbolisch zu verdeutlichen, dass Gott an seiner Beziehung zu seinem Volk festhält, seine Zusagen "konserviert", sollte Hefe einmal im Jahr aus den Häusern verbannt werden (Fest der ungesäuerten Brote) und - als Gegenstück - Speisopfer mit Salz vermengt werden. Wir lesen im AT auch davon, dass Gott einen Salzbund mit seinem Volk geschlossen hat (4Mo 18,19; vgl. 2Chr 13,5) - also einen für immer und ewig konservierten Bund, der nicht angetastet werde soll.


    Mit diesem Hintergrund kommen wir zur Frage, warum Jesus in Mk 9 das Salz als Bild gebraucht. Jesus fängt mit der Aussage an: "denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden" (Vers 49). Jesus spricht im Zusammenhang erstmal von Menschen, die von ihm abfallen und in der Verdammnis für ewig im Feuer der Hölle "konserviert" werden: sie werden "in die Hölle des Feuers geworfen, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlöscht" (Vers 48). In bildlicher Weise werden die Gottlosen mit diesem ewigen Höllenfeuer gesalzen - also für ewig konserviert.


    In Vers 49 geht Jesus aber weiter und sagt, dass nicht nur die Gottlosen im Feuer gesalzen werden - sondern "jeder", also auch die Nachfolger Jesu. Das Feuer der Christen ist aber kein Höllenfeuer, sondern das schmerzhafte Feuer, das Christen hier auf Erden zu erdulden haben. Auch davon redet Jesus in dem vorausgehenden Abschnitt: er fängt bei dem Feuer an, das er selbst bald erdulden sollte - seine Verhaftung und sein Tod am Kreuz (Vers 31). Dann geht es im Abschnitt weiter zum "Feuer" der Jünger, zu den Schwierigkeiten, die sie um Jesu Willen erdulden müssen: sie werden oft als unbedeutende Diener erscheinen müssen (Verse 33-37). Sie werden lernen müssen, Glaubensgeschwister zu akzeptieren, die ihren Glauben an Jesus anders ausleben als sie selbst (Verse 38-40). Und Christen werden sich freiwillig aber schmerzhaft von Dingen trennen, die ihnen geistlich schaden (Vers 45-48). Mit Sicherheit denkt Jesus bei diesem Feuer auch an die Verfolgung der Jünger und an all ihre Schwierigkeiten in einer gottlosen Welt - so wie er sie selbst durchleiden musste. Das alles ist ein Feuer, das die Gläubigen erdulden müssen - nur weil sie Jesus nachfolgen. Jesus spricht in diesen Versen davon, dass all diese Schwierigkeiten, die die Jünger in seinem Namen erdulden würden, nicht nur schmerzhaftes "Feuer" sind, sondern auch "Salz". Dadurch werden die Jünger festgemacht - im Glauben "konserviert". Wenn sie diesem Feuer nicht aus dem Wege gehen, wird alles verbrennen, was Salz verunreinigen könnte - und es kommt ein anderer Aspekt des Salzes zum Vorschein: es würzt alles, womit es in Berührung kommt. Und das möchte Jesus im Vers 50 zum Ausdruck bringen: das Salz ist gut und soll als "Gewürz" dienen.  Die Stelle erinnert auch an Mat 5,13, wo Jesus seinen Jüngern zuruft: "ihr seid das Salz der Erde".


    Da wo Christen bildlich durch "Feuer" gehen, dürfen sie wissen, dass es Gott aus einem Grund zulässt: er möchte in ihnen brauchbares Salz hervorzubringen. Andere Menschen werden merken, dass diese Christen Jesus wiederspiegeln. Diese "durch Feuer gesalzenen Christen" werden ihren Mitmenschen zum Einfluss und zum Segen. Damit möchte Jesus uns ermutigen, dem Feuer in unserem Leben nicht aus dem Weg zu gehen. Es ist mit Sicherheit unendlich viel besser als das ewige Feuer, das die übrigen Menschen einmal zu erleiden haben ... und dieses Feuer im Leben seiner Nachfolger/Nachfolgerinnen gebraucht Gott, um ihn/sie zu reinigen so dass sie zu einem guten, würzigen Geschmack in dieser Welt werden... zu seiner Ehre.

  • Mk 14,44.48: Warum wurde der Herr so überliefert? Er war doch bekannt (selbst Petrus wurde erkannt).

    Der Kuss des Judas war Teil des Planes, dass Jesus Nachts im Garten Gethsemane erkannt und von den Tempeldienern verhaftet werden konnte. Die Verhaftung sollte schnell von statten gehen und Jesus sollte nicht die Gelegenheit bekommen, sich zu verstecken oder (im Dunkeln) unerkannt zu fliehen. Judas war besser als jeder Priester und Tempeldiener in der Lage gewesen, Jesus augenblicklich zu erkennen. Eventuell haben einige Tempeldienern Jesus bis dahin nur aus der Ferne gesehen. Vor allem wussten anscheinend nur die Jünger, wo Jesus sich abends aufzuhalten pflegte. Die Priester wollten in dieser Sache „auf Nummer sicher gehen“ und allen Eventualitäten vorbeugen.

    Dadurch, dass sich Jesus selbst deutlich zu erkennen gab (Joh 18,4-7), wurde dieses Erkennungszeichen des Judas nicht mehr benötigt und fast lächerlich. Judas hatte zwar schon Schuld auf sich geladen (er führte die Soldaten zu Jesus), bekam von Jesus aber die Gelegenheit, um den verräterischen Kuss herum zu kommen. Tragischerweise handelte Judas unbeirrt „nach Plan“. Vielleicht wollte Judas durch diese Handlung vor den anderen elf Jüngern nicht als Anführer der Kohorte gelten und seine Freundschaft weiter vorheucheln. Sie sollten evtl. meinen, dass die Soldaten zufällig auf Judas stießen und ihn zwangen, sie zu Jesus zu führen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste keiner von den übrigen Jüngern, wer Judas wirklich war.


  • Lk 9,28-36: Was hatten Mose und Elia mit Jesu Ausgang zu tun?

    Alle Propheten haben Jesu Versöhnungswerk vorangekündigt, so auch die zwei großen Propheten Mose und Elia (siehe Apg 3,18; 3,22; 3,24; 10,43).

  • Joh 1,21: War Johannes der Täufer der erwartete Elia (vgl. mit Mat 11,9-14)?

    Die letzte Prophezeiung des Alten Testaments kündigte das Kommen Elias an (Mal 4,5f). Seitdem warteten die Juden auf sein Auftretren und den Anbruch des Gottesreiches. Als Johannes der Täufer mit seinem Wirken begann, fragten ihn die Juden, ob er Elia sei. Vermutlich warteten sie auf den leiblich wiederauferstandenen Propheten aus dem Alten Testament. Johannes verneinte, dass er der (leibliche) Elias sei (Joh 1,21). Jesus legte die Prophezeiung von Mal 4,5f in einem übertragenen Sinn aus (Mat 11,10-14) und identifizierte Johannes den Täufer mit dem von Maleachi verheißenen Elia. Schon der Engel Gabriel kündigte vor der Geburt des Johannes keine leibliche Wiederauferstehung Elias an, sondern jemanden, der "im Geist und in der Kraft Elias" dem Messias den Weg vorbereiten sollte (Lk 1,17). Auch die Apostel legten die Verheißung so aus (Mat 17,10-13), dass Johannes der Täufer durch sein Wirken der verheißene Wegbereiter war: er sollte die Menschen zur Umkehr aufrufen und auf das Kommen des Messias, Jesus, vorbereiten.

  • Joh 6,14; 7,40: Auf welchen Propheten wartete das Volk? Es kann ja nach Joh 1, 21+25 nicht Elia sein, sonst wären beide nicht getrennt erwähnt.

    Das Volk wartete auf den Messias, der auch als ein „Prophet wie Mose“ bekannt war. In Dt 18,15 verhieß Mose (in Bezug auf den Messias):

    „Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, gleich mir, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken; auf ihn sollt ihr hören.“

  • Joh 19,25-27: Warum übernahmen die Geschwister Jesu (Mat 13, 55.56) nicht die Verantwortung für ihre Mutter?

    Wir können davon ausgehen, dass Joseph früh gestorben war und Jesus – als ältester Sohn – die Verantwortung für die Familie übernahm. Kurz vor seinen Tod bestimmte er, wer an seiner statt vornehmlich für Maria zu sorgen hätte. Es war Jesus wichtiger, dass ein gläubiger Freund der Familie (Johannes) für Maria sorgen würde, als seine leiblichen Geschwister. Denn nach Joh 7,5 glaubten auch die Brüder Jesu nicht an ihm. Wir lesen auch nicht, dass diese Brüder am Kreuz Jesu anwesend waren.

    Einige Brüder Jesu haben sich nach seiner Auferstehung bekehrt (Jakobus, Judas). Allerdings kann es sein, dass sie – anders als Johannes – nicht die Gelegenheit hatten, bis zum Tod Marias in Jerusalem zu bleiben. Jesus wusste schon am Kreuz von den späteren Verfolgungen und Missionsreisen und konnte voraussehen, welcher Mensch sich auch langfristig um Maria kümmern könnte.


  • Apg 4,12: Wie müssen wir diesen "einen Namen" richtig aussprechen? Müsste es statt "Jesus" nicht "Jeschua" heißen?

    "Jesus" ist in der Tat die deutsche Wiedergabe des Namens, der im hebräischen "Jeschua" ausgesprochen wird. "Jeschua" ist dabei selbst eine Kurzform des Namens "Jehoschua". Dessen Bedeutung ist nicht 100% geklärt, geht vermutlich aber auf "Jahwe rettet" zurück (siehe auch Mat 1,21). Die lateinische Bibelübersetzung gibt den Namen als "Iesus" wieder, woraus im Deutschen "Jesus" wurde (so auch in anderen Sprachen, z.B. englisch und französisch - mit jeweils landestypischen Aussprachen). Die Frage ist also, ob wir den Namen so umformulieren dürfen oder zum hebräischen Original zurückkehren müssen. Hier hilft uns das Neue Testament. Obwohl die aramäisch sprechenden Apostel ihren Herrn wohl "Jeschua" oder "Jeschua hameschiach" (=Jesus, der Messias) angesprochen haben, schreiben sie in ihren griechischen Briefen des Neuen Testaments die griechische Form des Namens: Iēsūs.  Wenn es also für die Apostel kein Problem darstellte, den wichtigsten Namen des Universums landessprachlich anzupassen, sollte es auch für uns kein Problem sein. Ein Name steht erstmal für eine Person. Wenn wir "Jesus" hören und aussprechen, so meinen wir damit eine bestimmte Person: den Sohn Gottes, der Mensch wurde, für uns starb, auferstand und das Gebet in seinem Namen beantwortet.

  • Apg 17,30: wie ist die Aussage zu verstehen, dass Gott "die Zeiten der Unwissenheit" übersieht?

    Gott hat schon immer alles gewusst - auch die Sünden jedes einzelnen Menschen. In Apg 17 bringt Paulus zum Ausdruck, dass Gott die Sünden der Heiden-Völker (zu denen die angesprochenene Athener mehrheitlich gehörten) nicht in dem Maß heimgesucht hat, wie sie es verdient hätten. Zwar ist allein schon der Tod Beweis dafür, dass die Folgen der Sünde jeden Menschen ereilen - ganz zu schweigen davon, wenn wir an das zukünftige Gericht denken. Punktuell suchte Gott auch schon im AT Völker heim und richtet sie (z.B. Kanaaniter, Niniviten, ...) Aber in Summe ist es so, dass Gott in erster Linie Geduld hatte und nicht mit der Härte eingriff, wie die Menschheit es verdient hat. Mit der Evangeliumsverkündigung - so Paulus' Argument - werden die Angesprochenen aber vor eine ganz neuen Verantwortung gestellt, Buße zu tun und sich Jesus Christus zuzuwenden.

  • Rö 3,9-18: Zeichnet Paulus nicht ein sehr pauschales Urteil über die Menschheit? Nicht jeder ist ein Betrüger oder Mörder...

    Paulus führt in den ersten 3 Kapiteln des Römerbriefs aus, dass alle Menschen ("Juden und Nicht-Juden") vor Gott schuldig sind. Aus Gottes Perpektive gibt es niemanden, der positiv heraussticht (v.9). Als Schriftbeweis für Paulus nach rabbinischer Art aneinandergekettete Verse aus dem AT an - vor allem aus den Psalmen Davids. Zur Zeit ihrer Abfassung hatte der Psalmist wohl sehr konkrete Verhalten seiner gottlosen Feinde vor Augen. Paulus nutzt diese Aussagen um allgemein aufzuzeigen, wo die Menschheit steht: ihre Geschichte ist eine Blutspur - gespickt mit Lug, Trug und Lästerungen. Der Respekt gegenüber ihrem Schöpfer ist ihnen fremd (3,18). Und jeder Mensch hat - in unterschiedlichem Maß und Ausprägung - Anteil an diesem Summenurteil. Somit steht für jeden Menschen fest: vor Gott ist niemand gerecht (3,10). Diese Diagnose führt dann zur Therapie: Die Rechtfertigung aus Glauben an Jesus Christus (3,26).

  • Rö 3,25-26: Was ist unter der "Nachsicht" Gottes zu verstehen?

    Ähnlich wie in Apg 17,30 (siehe die Antwort dort), erwähnt Paulus, dass Gott zu AT-Zeiten viele Sünden ertragen hat und nicht in dem Maß richtete, wie es die Menschheit verdient hätte.

  • Rö 6,2: Warum heißt es, dass wir der Sünde gestorben sind? Ein Christ sündigt doch auch noch!?

    Beides ist richtig: kein Mensch ist sündlos und auch der Christ macht oft Fehler, sagt selbst der Apostel Jakobus (Jak 3,2) bzw. der Apostel Johannes schrieb: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.” (1Joh 1,8). 

    Mit der Wiedergeburt hat sich für den Christen in seinem Verhältnis zur Sünde aber einiges grundlegend verändert: 

    1. Der Christ empfindet Sünde als Last, was vor seiner Bekehrung nicht oder nur selten der Fall war. Ein toter Mensch wird sich nie über eine Last auf seinen Schultern beklagen – ebenso wenig wird ein geistlich toter Mensch über seine Sünden klagen. Mit der Wiedergeburt kommt durch den Heiligen Geist „geistliches Leben“ in einen Menschen. Unter anderem bedeutet es, dass ein neues Schmerzzentrum in ihm aktiv wird: wenn er sündigt und er es merkt, meldet sich sein Gewissen und es schmerzt ihn. Im Lauf des normalen christlichen Lebens wird dieses Schmerzzentrum immer empfindlicher; obwohl der Christ immer mehr sündige Verhaltensmuster ablegt, gibt dieses Schmerzzentrum “Alarm” wenn etwas im Leben in Bezug auf Gott nicht stimmt.
    2. Der Christ hat eine Grundsatzentscheidung getroffen: die Sünde hat Jesus Christus ans Kreuz gebracht und wurde dort gerichtet und besiegt. Paulus fragt rhetorisch: „sollen wir da als Christen noch sündigen wollen?“ Die Antwort lautet: „Nein, sondern wir sind der Sünde gestorben“ (Rö 6,2). Das bedeutet nicht, dass Sünde nicht mehr existieren würde – aber die Grundsatzentscheidung des Christen sollte lauten: ich will mit der Sünde nichts mehr zu tun haben.
    3. Die Sünde kann uns nicht mehr vor das Gericht Gottes bringen, denn Christus ist für unsere Sünden gestorben – zumindest in ihrer schrecklichsten Wirkung „berührt“ uns die Sünde nicht mehr.

    Wie können wir der Sünde im praktischen Leben nun „mehr und mehr sterben“?

    1. Wenn wir auf unser Gewissen hören und nicht dagegenhandeln. Dadurch wird es empfindlicher und stumpft nicht ab.
    2. Eher die Nähe zu Jesus suchen (durch Bibellesen, Gebet, Gemeinschaft mit anderen Christen, Liedern,…), als ängstlich auf die Sünde zu schauen, die einen versucht. Wer beim Autofahren auf ein Hindernis auf der Straße schaut, fährt leichter drüber, als wenn er seinen Blick weiter nach vorne, zum Ziel hin, richtet. Anders ausgedrückt: wer sich mit Positivem beschäftigt, braucht sich weniger anzustrengen, um das Negative zu vermeiden. Sollten wir doch sündigen, dürfen wir trotzdem dadurch getröstet sein, dass Gott uns gerne vergibt: „wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). 

    Hinfallen ist menschlich – Liegenbleiben ist teuflisch – Wieder aufstehen ist göttlich.

  • 1Kor 11,1-16: Wie wichtig ist die Kopfbedeckung der Frau heutzutage in der Gemeinde?

    Im angegebenen Abschnitt beschreibt Paulus das äußere Erscheinungsbild von Männern und Frauen beim Gebet. Durch ihre Art der Kopfbedeckung sollen sie widerspiegeln, dass sie eine bestimmte Ordnung anerkennen, v3: Gott als Haupt von Christus, Christus als Haupt des Mannes, der (Ehe-)Mann als Haupt der (Ehe-)Frau.


    Man kann sagen, dass die Kopfbedeckung der verheirateten Frau, wenn sie in der Gemeinde laut betet (bzw. das freie Haupt des betenden Mannes), Zeichen des Respekts gegenüber dieser Ordnung sind. Die Bibel kennt ja durchaus auch andere äußerlichen Zeichen, die geistliche Wahrheiten zum Ausdruck bringen (z.B. Taufe, Abendmahl, das Auflegen von Händen, ...).


    Wer sieht es, wenn diese Respekterweisung erbracht wird? Natürlich vor allem Gott ... aber auch die unsichtbare Welt der Engel (v10), die bekanntlich nicht immer Gottes Ordnungen respektiert haben (vgl. Jud 6).


    Alle Begründungen, die Paulus in 1Kor 11 aufführt, sind unabhängig vom antiken Kontext. Was das Gebet angeht, gab es im ersten Jhd. auch keine allgemeine kulturelle Richtlinie, sondern es gab Unterschiede zwischen der römischen, griechischen und jüdischen Kultur - auch was die Kopfbedeckung angeht. Es wäre darüber hinaus auch sehr verwunderlich, wenn Paulus den Korintern eine Anordnung geben würde, und sich dabei auf heidnische Gebetsrituale bezieht. Nein, er bezieht sich in seiner Argumentation auf die Schöpfungsordnung.


    Da die Gründe, die Paulus anführt, unveränderlich sind, kann auch die obige Frage leicht beantwortet werden: die Wichtigkeit der Kopfbedeckung heutzutage ist unverändert gegenüber dessen Wichtigkeit im ersten Jahrhundert. Wie wichtig war sie damals? Nun, sicherlich nicht an erster Stelle - Paulus schreibt nur einmal darüber. Wer aber seinen Respekt vor Gottes Ordnung damals wie heute zum Ausdruck bringen möchte, darf es dezent tun: der Mann, indem er seine Kopfbedeckung beim Gebet abnimmt. Die verheiratete Frau, indem sie ihren Kopf bedeckt, wenn sie in der Gemeinde laut betet.

  • 1Kor 11,1-16: Sollen verheiratete Frauen das Kopftuch nur tragen, wenn sie selbst beten? Oder auch, wenn sie in der Gemeinde still mitbeten? Gott hört doch laute und stille Gebete in gleicher Weise?

    Sehr wahrscheinlich beziehen sich die Anweisungen des Paulus auf das laut ausgesprochene Gebet einer Frau in der Gemeinde. Hierfür können vier Gründe angeführt werden:

    (a) Die Anweisung bzgl. der Kopfbedeckung gilt für "Beten oder Weissagen" (v. 4-5). Da Weissagung ein Akt des gesprochenen Wortes ist, wird hier vermutlich auch beim Beten das gesprochene Wort gemeint sein.

    (b) Die Begründung des Paulus fußt auf die Hierarchiche des "Hauptes" (Gott => Christus => Mann => Frau, vgl. V3). Der Zweck des Zeichens der Kopfbedeckung soll offensichtlich machen, dass eine Frau - während sie im Gebet Gott direkt naht - trotzdem ihr direktes Haupt respektiert und nicht übergeht.

    (c) Die Anweisungen in 1Kor 11 gelten für den Mann/die Frau, der/die betet oder weissagt. Damit wird ein bewusster oder offensichtlicher "Akt des betens oder weissagens" zum Ausdruck gebracht, den der Mann/die Frau ausübt. Ansonsten hätten wir vermutlich folgende Formulierung im Text: "Beim Gebet sollen die Frauen ..."

    (d) Es stimmt zwar, dass Gott laute und stille Gebete hört. Hier geht es aber um einen Gemeindekontext (das Weissagen macht nur in der Gemeinde Sinn; ab Vers 17 wird auch ein Gemeindekontext besprochen). Und in der Gemeinde ist nicht nur Gott anwesend, sondern auch Menschen und Engel... auf letztere bezieht sich Paulus in seiner Begründung, damit auch sie zeugnishaft mitbekommen, dass die Gemeinde die Ordnungen Gottes durch das Zeichen der Kopfbedeckung respektiert.

  • Hebr 2,14: hat der Teufel noch die Macht des Todes? (siehe Elberfelder Übersetzung!)

    In Hebr. 2,14 heißt es in der Elberfelder Übersetzung, dass Jesus durch seinen Tod den Teufel zunichte machte, der die Gewalt des Todes hat. Einige Christen äußerten anhand dieses Verses ihre Furcht, dass Christus möglicherweise noch nicht über den Tod herrsche (obwohl 2Tim 1,10 und Offb 1,18 dies klar aussagen), sondern der Teufel noch die Macht des Todes besitzen würde. Ohne Zweifel eine nicht unwichtige Frage in Zeiten der Krankheit, Verfolgung oder sonstiger Anfechtung. Luther und viele andere Übersetzungen würden – so die Meinung einiger – an dieser Stelle zu Unrecht die Vergangenheitsform gebrauchen. Luther übersetzt mit „…durch seinen Tod den zunichte machte, der die Gewalt des Todes hatte“. Wie ist diese Übersetzung nun zu bewerten? Zunächst: die Elberfelder Übersetzung scheint hier auf den ersten Blick die korrekte grammatische Zeitform gewählt zu haben (im griechischen steht ein Partizip im Präsenz, wörtlich etwa: „… der die Gewalt des Todes habende“). Im griechischen Denken orientiert sich ein Partizip Präsenz aber an der Zeitform der Hauptaktion, hier also der Zeitpunkt des Todes Jesu am Kreuz. Da die Hauptaktion Vergangenheit ist, ist im Deutschen mittels eines Präteritums zu übersetzen (d.h. „… der die Gewalt des Todes hatte“), damit der Sinn korrekt wiedergegeben wird. Luther und andere übersetzen hier also so, dass im Verständnis des deutschen Lesers der richtige Eindruck entsteht – auch wenn die griechische Zeitform unter den Tisch fällt.   Wir sehen an diesem Beispiel, wie eine wortgetreue Übersetzung möglicherweise einer sinngetreuen Übersetzung entgegengerichtet sein kann und zu anderen theologischen Ergebnissen führt.

  • 1Petr 3,18-20: Beweist dieser Text, dass Ungläubige nach dem Tod eine zweite Chance zur Bekehrung erhalten?

    Grundsätzlich lehrt die Bibel, dass es nach dem Tod keine zweite Chance für eine Bekehrung gibt. Das zeigt z. B. die Geschichte von "Lazarus und dem reichen Mann" (Lk 16,19-31) oder auch Hebr 9,27: "Es ist dem Menschen gesetzt einmal zu sterben, danach aber das Gericht". Auch der in Offb 20,11-15 beschriebene Ablauf des Endgerichts lässt darauf schließen, dass Menschen einmal ausschließlich nach dem gerichtet werden, was sie zu Lebzeiten gemacht haben.


    Was ist aber mit 1Petr 3,18ff gemeint? Dort steht, dass Jesus im Geist hingegangen ist, und "den Geistern im Gefängnis gepredigt hat, die einst ungehorsam waren, als Gott harrte und Geduld hatte zur Zeit Noahs...". Der Text sagt nicht eindeutig, wann das war. Vers 18 scheint einen Zusammenhang zum Tod Jesu und seiner Auferstehung herzustellen - und so kann vermutet werden, dass dieses Ereignis zwischen Jesu Tod am Kreuz und seiner Auferstehung stattfand. Wichtiger als der genaue Zeitpunkt ist für uns die Tatsache, dass es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Es ist also schonmal nicht so, dass Jesus regelmäßig den "Geistern im Gefängnis" oder gar den verstorbenen Ungläubigen predigen würde.


    Dann ist es auch wichtig zu verstehen, zu wem Jesus predigte: nicht zu verstorbenen ungläubigen Menschen, sondern zu den Geistern, die zur Zeit Noahs ungehorsam waren und nun in einer Art Gefängnis festgehalten werden. Was waren das für Geister zur Zeit Noahs? Das Einzige, was wir im ersten Buch Mose darüber lesen ist, dass "Gottessöhne" (vermutlich gefallene Engel, also Dämonen), Geschlechtsverkehr mit Frauen hatten (sie möglicherweise vergewaltigten) und dadurch unheimliche Mischwesen ("Riesen") gezeugt wurde (1Mose 6,1-4). Dieser ungeheure Vorgang war größtenteils für das größte Gericht verantwortlich, das bisher über die Menschheit kam: bis auf Noah und seine Familie wurden alle Menschen durch eine weltweite Sintflut vernichtet - somit auch diese Mischwesen / Riesen. Die gefallenen Engel, die in 1Mose 6,2 erwähnt werden, wurden gebunden. Judas schreibt über sie: "Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er [Gott] für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden der Finsternis" (Judas 6). Diese Stelle im Judasbrief zeigt: auch diese gefallenen Engel haben keine zweite Chance erhalten, sondern werden einmal gerichtet werden - derzeit sitzen sie seit ein paar tausend Jahren in "Untersuchungshaft". Was predigte ihnen Jesus? Das griechische Wort für "predigen" ("kērussō") kann auch mit "proklamieren" übersetzt werden. Jesus wird ihnen nicht gepredigt haben, dass sie umkehren sollen, um Vergebung zu erhalten, sondern Jesus verkündigte ("proklammierte") ihnen seinen Sieg. Sinngemäßg vielleicht so: "Ihr gefallenen Engel, die ihr alles verkehrt gemacht habt, die ihr die Menschheit zerstören wolltet und schuldig daran seid, dass Gott fast die gesamte Erde durch eine Sintflut auslöschen musste: euch verkündige ich, dass ihr nun endgültig gescheitert seid! Ihr habt nichts mehr zu melden. Ich verkündige hiermit meinen Sieg, über die Sünde, den Tod und den Teufel. Ich verkündige euch hiermit, dass mit meinem Tod und meiner Auferstehung die Menschen, die ihr ins Verderben stürzen wolltet, nun wieder einen Weg zurück zu Gott haben und ewig errettet werden können!"


    Diese Aussage passt auch ganz gut in den Gesamtzusammenhang des ersten Petrusbriefes, der an eine leidende Gemeinde gerichtet wurde. Obwohl es so aussieht, als ob die verfolgte Gemeinde unterliegen würde, wird sich einmal das Blatt wenden. Wenn Christus wiederkommt, wird seine Herrlichkeit für alle sichtbare Realität. Einen "Vorgeschmack" haben die erwähnten Geister im Totenreich bereits erhalten: Ihnen wurde der Sieg Jesu verkündet!

  • Es fällt auf, dass die Gemeinde ab Offenbarung 4,1 nicht mehr erwähnt wird. Ist dem zu entnehmen, dass die Gemeinde vor den in der Offenbarung angekündigten Gerichten von der Erde entrückt wird?

    Eine dispensationalistische Auffassung geht tatsächlich davon aus und sieht im Ausspruch "komm hier herauf" (Offb 4,1) einen Hinweis auf die Entrückung. Dies folgt aber einer deduktiven Hermeutik (siehe zu "deduktiv/induktiv" eine eigene Frage im Abschnitt "Dogmatik"). Der Vers Offb 4,1 drückt erstmal nicht mehr aus, als dass Johannes aufgefordert wird, einen Blick in die himmlische Wirklichkeit zu werfen. 


    Das Wort "Gemeinde" kommt tatsächlich ab Offb 4,1 nicht mehr vor - nur kann deswegen noch keine Entrückung begründet werden. Auch "Jesus" wird ab Kapitel 4 nicht mehr namentlich erwähnt - und trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, dass er verschwunden sei.


    Ab Offenbarung 4,1 ändert sich der Genre, d. h. die Literaturgattung des Buches. Wir haben keine historischen Berichte mehr vor uns, sondern ergreifende Visionen. So wie man einem expressionistischem Bild nicht vorwerfen kann, es spiegle die Wirklichkeit nicht 1:1 wieder, so wenig darf man diesen Vorwurf an die apokalyptischen, visionären Kapitel der Offenbarung herantragen. Wie ein expressionistisches Bild gibt die Offenbarung die Wirklichkeit wieder - gebraucht dabei aber Bilder. Diese wollen interpretiert werden, wenn man sie verstehen möchte. Sie bringen gerade auch Dinge zum Ausdruck, die wir anhand unserer Erfahrungen und Wahrnehmungsorgane nicht fassen können. So wie Jesus Christus nicht wörtlich erscheint, sondern als "Lamm" oder "Löwe", darf auch erwartet werden, die Gemeinde in bildlicher Gestalt zu finden: als "Knechte" under "Brüder", als die 144.000, als Märtyrer, als solche, die das "Zeugnis Jesu haben", als "Braut"... 


    So wie es am Sinn der Autors vorbei gehen würde, unter "Lamm Gottes" ein Säugetier zu verstehen, so möchten auch die übrigen Bilder in diesem letzten Buch der Bibel geistlich verstanden werden.


    Weitere Bezeichnungen für das Gottesvolk im Buch der Offenbarung sind einem eigenen Aufsatz zu entnehmen (siehe Artikelsammlung auf dieser Homepage).

  • Offb 7,4+14,1: Wer sind die 144.000 ?

    In Offb. 7,3f wird eine Zahl von 144.000 "Knechten Gottes" genannt, die vor einer Gerichtswelle "an ihren Stirnen versiegelt werden". Es heißt, sie kommen "aus jedem Stamm der Söhne Israels". In Offb 14,4 heißt es weiter von ihnen: "Diese sind es, die sich mit Frauen nicht befleckt haben, denn sie sind jungfräulich; diese sind es, die dem Lamm folgen, wohin es auch geht. Diese sind aus den Menschen als Erstlingsfrucht für Gott und das Lamm erkauft worden." 


    Die Frage ist, ob die Bezeichnung "aus allen Stämmen Israels" wörtlich zu verstehen ist, es sich also um 144.000 Israeliten handelt. Ab Offb 7,5 werden von 12 Stämmen je 12.000 Angehörige aufgezählt. Dabei fällt bei genauem hinsehen auf, dass die Aufgezählten nicht aus allen 12 Stämmen des Alt-Testamentlichen Volkes Israel stammen - denn der Stamm Dan fehlt. Dafür wird der Stamm Manasse doppelt gezählt (einmal unter "Manasse" und einmal unter "Joseph", dem Vater von Ephraim und Manasse). Im Übrigen ist auch die Zählreihenfolge sonst nirgends in der Bibel zu finden, wenn es um die Aufzählung der Stämme Israels geht.


    Die oben aufgeführten Unstimmigkeiten lassen vermuten, dass die 144.000 eine symbolische Bedeutung besitzen. Die Verwendung von Symbolik dürfte gerade im letzten Buch der Bibel nicht überraschen, das allen Hauptakteuren symbolische Bezeichnungen verleiht (z. B. "das Lamm Gottes", "der Löwe von Juda", "das Tier aus dem Abgrund", "die Frau auf dem scharlachfarbenden Tier", ...).


    Folgende Gründe sprechen dafür, in den 144.000 die symbolische Vollzahl der Erlösten zu sehen:

    - Im Buch der Offenbarung wird eine Person oft zweimal eingeführt: einmal durch eine Wortoffenbarung, dann durch eine Vision (so wird der Herr Jesus in Offb 5,5 zunächst als "Löwe von Juda" angekündigt, in der darauffolgenden Vision erblickt Johannes hingegen ein "Lamm" - diese zwei widersprüchlichen Bezeichnungen ergänzen sich in Wirklichkeit zu einem stimmigen Gesamtbild: Jesus ist Lamm Gottes und Löwe zugleich). Nachdem in Offb 7,3ff die 144.000 minutiös aufgezählt werden, erscheint in der darauffolgenden Vision eine "große Volksmenge, welche niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen" (Offb 7,9). Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass Wort- und Bildvision die selbe Gruppe bezeichnen: es ist äußerlich eine "unzählbare Schar aus allen Ländern" - vor Gott sind sie namentlich bekannt und bilden die Vollzahl des Gottesvolkes. Hier kommt es Gott nicht auf eine äußere Zugehörigkeit an, sondern auf den inneren Menschen; dies könnte eine Erklärung für das Fehlen des Stammes "Dan" sein.


    In Offb 14,1ff erscheinen die 144.000 singend auf dem Berg Zion. Es ist unwahrscheinlich, dass hier ein Konzert vorausgesagt wird, das in den Gassen eines Jerusalemer Viertels abgespielt wird. Vielmehr erscheint Zion, die alte Davidsstadt", in den neutestamentlichen Briefen (Römer, Hebräerbrief, Petrusbrief) stets bildlich für einen geistlichen Ort, der auf Jesus Christus gegründet ist. Nach Hebr 12,22 sind die gläubigen Empfänger des Hebräerbriefs zum "Berg Zion" gekommen - mit Sicherheit eine bildliche Beschreibung dafür, dass sie Jesus Christus angehören.


    In Offb 14,4 wird die Gruppe als 144.000 jungfräuchliche Gestalten beschrieben, die dem Lamm folgen. Sowohl das Adjektiv "jungfräulich" als auch das "Lamm" sind offensichtlich bildlich gemeint - der Verdacht liegt nahe, dass auch die 144.000 eine bildliche Zahl (12*12*1000) darstellt.


    Schließlich fehlt in deren letzter Erwähnung (Offb 14,4) ein Einschränkung auf Israel, sondern es heißt, wie schon bei der unzähligen Volksmenge aus Offb 7,9, dass sie "aus den Menschen erkauft worden".


    Weitere bildhafte Bezeichnungen des Volkes Gottes im Buch der Offenbarung sind in einem eigenen Aufsatz zu finden (siehe die Artikelsammlung dieser Homepage).

  • Offb 13,16f: Was ist das "Malzeichen des Tieres"? Handelt es sich um eine Tätowierung oder ein RFID-Chip?

    Das griechische Wort für "Malzeichen" ist "charagma" und wurde im ersten Jahrhundert zum Beispiel zur Bezeichnung eines Stempels oder einer (Tier-)tätowierung verwendet. Wir müssen aufpassen, dass wir beim Lesen des Textes nicht versuchen, heutige technische Möglichkeiten in den Text hineinzulesen. Zwar gibt uns die heutige Technik eine gewissen Vorstellung davon, was möglich sein könnte - mehr aber auch nicht. Wir müssen zugeben, dass wir (noch) nicht genau wissen, wie dieses Malzeichen einmal beschafft sein wird. Wichtig für uns ist, dass es sich um ein sichtbares Zeichen handeln wird, das seine Träger als Anhänger des Antichristen kennzeichnen wird. Erst in einem zweiten Schritt ist es ein Mittel, um die Wirtschaft zu steuern (das "Kaufen und Verkaufen" zu ermöglichen). Somit brauchen wir keine Angst haben, dass uns einmal ein RFID-Chip geistlich schaden wird, wenn er zum Kaufen oder Verkaufen verwendet wird - selbst für den Fall, dass wir ihn unter der Haut tragen sollten. Der Text aus Offenbarung 13 möchte uns vor etwas ganz anderem warnen, nämlich vor der Verführung des Antichristen. Eines Tages wird sich die ganz große Mehrheit der Menschheit sichtbar zum Antichristen bekennen - und dann wird für alle klar sein, um welches sichtbare Zeichen es sich handeln wird. Wahre Christen werden hier nicht mitmachen und dafür die Konsequenzen tragen müssen: man wird sie gesellschaftlich und wirtschaftlich ins Abseits stellen.

  • Offb 20,1-10: Ist das 1000-jährige Reich wörtlich zu verstehen?

    Die Frage ist berechtigt, denn die Offenbarung ist ein Buch, das sich einer ausgeprägten Bildersprache bedient. Eine Herrschaft Christi auf Erden über wortwörtlich 1000 Jahre wird auch nur an dieser Stelle der Bibel erwähnt. Viele Ausleger sehen darin bildhaft die Gemeindezeit wiedergegeben: Christus herrscht, das Evangelium breitet sich aus, während Satan gebunden ist. Diese Ansicht ist als "Amillennialismus" bekannt - also die Vorstellung, dass es kein wörtliches tausendjähriges Reich gibt. Seit dem Konzil von Ephesus (431 nChr) ist der Amillennialismus auch offiziell die Lehrmeinung der katholischen Kirche. Die reformierten Kirchen schlossen sich dem weitgehend an (z.B. verwirft die Confessio Augustana 1530 den sog. "Chiliasmus", als die Vorstellung eines wörtlich genommenen 1000-jährigen Reiches - wohl als Reaktion auf Ketzerbewegungen um Augustin Bader). Der Prämillennialismus vertritt hingegen, dass Christus tatsächlich sichtbar auf Erden herrschen wird, während der Satan gebunden ist. Tatsächlich lehrt die Bibel vielfach, dass Satan in der heutigen Zeit noch nicht gebunden ist (siehe eigene Frage zu Offb 20,2).


    Diese Vorstellung eines irdischen Reichs lässt sich auch jenseits von Offb 20 begründen. In Dan 2 wird aufgeführt, wie alle Weltreiche ihre von Gott bestimmte Zeit haben und vergehen werden. Zuletzt aber wird das Gottesreich die Welt erfüllen wird (Dan 2,35+44). Auch im Neuen Testament lebt der Gedanke nach einem irdischen Reich weiter. So fragten die Jünger kurz vor der Himmelfahrt, wann Jesus die Hoffnung Israels erfüllen würde, um sein (irdisches) Reich für Israel aufzurichten. Jesus verneint nicht, dass ein solches Reich kommen wird, sondern sagte lediglich, dass ihnen nicht gebührt "Zeit oder Stunde zu wissen" (Apg 1,6f). Auch das zukünftige Herrschen der Gläubigen mit Christus wird an einigen Stellen thematisiert (Lk 19,17 - wenn auch gleichnishaft; ausdrücklicher in 2Tim 2,12; Offb 2,26-28)


    Es ist vorsicht geboten, dass dieses 1000-jährige Reich nicht mit Elementen ausgemalt wird, die die Bibel nicht explizit erwähnt - dieser Versuchung unterlagen bereits etliche Christen seit dem ausgehenden 2. Jhd. Hier ist Zurückhaltung geboten.


    Auch über den Sinn des 1000-jährigen Reiches sagt die Bibel nicht viel - aber es scheint, dass Christus, der Messias, mit diesem Reich umsetzt, was schon immer Gottes Plan war: die Menschheit in Frieden zu regieren. Es wird deutlich, dass der König Jesus Christus auch sichtbar alle irdischen Herrscher in den Schatten stellen wird: Christus führt aus, was Herrscher aller Nationen bisher vergeblich versucht haben. Wichtig ist, das dieses Reich - nach einem kurzen Intermezzo von Satans Freilassung (Offb 20,7-10) - in das ewige Reich Gottes übergeht (Offb 21).

  • Offb 20,2: Was bedeutet es, dass der Teufel gefangen genommen wird? Wann wird das sein? Hat der Teufel heute noch Macht?

    Die Bibel zeigt auf, dass der Teufel als ein Wesen aktiv ist, das von Anfang an die Menschheit verführt und geknechtet hat ... bis heute.


    Er verführte bereits Adam&Eva zur Sünde (Gen 3,1-5). Die Evangelien zeigen, wie der Teufel Jesus (vergeblich) zur Sünde versuchte (Mat 4,1) und Menschen in seiner Gewalt hatte (Mat 8,16,28, Lk 13,16). Er nahm besitzt von Judas (Lk 22,3) und ist der geistliche Vater der Ungläubigen ist (Joh 8,44). Jesus selbst hat uneingeschränkte Macht über den Teufel und seine Dämonen (Mat 12,28-30), was aber nicht bedeutet, dass der Teufel keinen Handlungsspielraum mehr hätte. Mit Jesu Tod und Auferstehung ist der Teufel für immer besiegt, aber auch da noch am Werk. Mit Sicherheit hält Gott seine Hand über alle Geschehnisse, damit der Teufel nicht willkürlich wirken kann. Das war aber bereits im AT so, wie die Geschichte Hiobs zeigt (Kap 1+2) - Satan war und ist immer "ein Hund an der Leine Gottes". Aber im AT wie auch NT erscheint der Teufel als der große Widersacher, der die Menschheit verführt und von Gott wegbringt. Hier gibt es keine qualitativen Unterschiede zwischen dem AT und NT, wenn man die Weltgeschichte betrachtet. Das Gleichnis vom Sämann zeigt, dass der Teufel Unkraut auf Gottes Ackerfeld sät (Mat 13,39). Auch nach Pfingsten hält er Menschen in seinen Händen (Apg 13,10; 16,16). Gläubige werden aufgerufen, eine geistliche Waffenrüstung anzulegen, um gegen die listigen Anschläge des Teufels Widerstand leisten zu können (Eph 6,10-17). Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann (2Petr 5,8), er verführt noch, indem er sich als Engel des Lichts darstellt (2Kor 11,14) - und etliche folgen ihm nach (1Tim 5,15). Satan hinderte Paulus daran, die Thessalonicher zu besuchen (1Thess 2,18). Menschen werden zur Zucht dem Wirken Satans übergeben (1Kor 5,5; 1Tim 1,20). Alles in allem ist das Zeugnis des Neuen Testaments eindeutig: der Satan ist noch am Werk und es bedarf des verheißenen (!) Schutzes Gottes, dass Gläubige seinen Verführungskünsten nicht unterliegen. Die ungläubige Welt unterliegt allerdings seinem Wirken im großen Maße.


    Die Tatsache, dass  "Satan unter unsere Füße zertreten wir", beschreibt Paulus als ein noch zukünftiges Ereignis (Rö 16,20). Offb 20 zeigt auf, wann das sein wird: wenn Jesus sichtbar wiederkommt, wird der Teufel nicht nur an der Leine gehalten, sondern in den Abgrund gestürzt, dessen Deckel versiegelt wird (Offb 20,3) - ein Bild, das verdeutlicht, dass er dann tatsächlich wirkungslos ist, die Völker nicht mehr verführt und gegen den auch nicht mehr angekämpft werden muss. Offb 20 berichtet, dass Jesus und die Seinen 1000 Jahre auf Erden herrschen wird, während welcher der Teufel völlig macht- und wirkungslos gebunden sein wird. Anschließend wird er für kurze Zeit nochmal losgelassen und das tun, was er schon immer tat: die Menschheit verführen (Offb 20,7-8) - dann kommt sein endgültiges Ende im Feuersee (Offb 20,9-10)

  • Offb 20,4: Über wen wird Christus im 1000-jährigen Reich herrschen?

    Wenn Christus sichtbar und in Macht&Herrlichkeit wiederkommen wird, werden die Gläubigen zu ihm versammelt werden: die verstorbenen Gläubigen durch Auferstehung und die dann noch lebenden Gläubigen durch Entrückung (1Kor 15,51f; 1Thess 4,13-17; Offb 20,5). Ein Großteil der übrigen Menschheit wird zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben sein (z.B. Offb 9,18).

    Es scheint, dass sich die Herrschaft Christi und der Gläubigen auf die übrige Menschheit erstrecken wird, die im sog. "1000-jährigem Reich" unter die Segnungen seiner Regierung kommen werden. 


Dogmatik


  • War Jesus während seiner Lebenszeit auf der Erde Mensch oder Gott?

    Jesus, als „Gottes und Marien‘ Sohn“, war Gott und Mensch zugleich – und zwar nicht zu „jeweils 50%“ sondern zu „jeweils 100%“. Wie war das möglich? Gezeugt von der Jungfrau Maria und dem Heiligen Geist (Mat 1,18), besaß Jesus zwei Naturen. Es verhält sich ähnlich wie mit der Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Wer eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, z. B. eine deutsche und eine amerikanische, ist nicht „50% deutsch und 50% amerikanisch“, sondern „100% deutsch“ und „100% amerikanisch“ – mit allen Rechten und Pflichten, die die jeweilige Staatsbürgerschaft mit sich bringt. So war auch Jesus auf Erden „100% Gott“ und „100% Mensch“. Im Folgenden soll auf beide Aspekte einzeln eingegangen werden.


    Jesus war zu 100% Gott: 


    Der Hebräerbriefschreiber unterscheidet Jesus von den übrigen Propheten. Nachdem Gott früher lediglich durch die Propheten zu uns Menschen geredet hat, redete er anschließend in der Person des Sohnes zu uns (Hebr 1,1 – Elberfelder Übersetzung). Ähnlich drückt es der Apostel Johannes aus, der Jesus „das Wort Gottes“ nennt (Offb 19,13) und festhält, dass dieses Wort nicht nur von Gott gegeben wurde, sondern Gott selbst war: „und das Wort war Gott“ (Joh 1,1).


    In Jesus hat Gott zu uns Menschen geredet – Menschen konnten an Jesus hören und sehen, wie Gott wirklich ist. Eine Aussage wie „wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,45) konnte niemand anders als Jesus treffen.


    Gottesfürchtige Menschen und sogar Engel haben Anbetung stehts vehement abgelehnt. Jesus hingegen wurde bereits als kleines Kind angebetet (Mt 2,11) und Menschen fielen öfter vor ihm auf die Knie (z.B. Lk 5,8). Der Apostel Thomas rief aus: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).


    Jesus vollbrachte Taten, die kein Mensch hätte tun können. Als er Wind und Wellen auf dem See Genezareth stillte, wäre es für die Jünger sicherlich nicht überraschend gewesen, wenn Jesus um ein solches Wunder gebeten und Gott sein Gebet erhört hätte. Nun hat Jesus aber selbst bereits diese Vollmacht gehabt, dass ihm Wind und Wellen gehorchen musste (Lk 8,25). Ein Mensch kann den Wind nicht zurückhalten (Pred 8,8) – das kann nur Gott allein. Die Jünger ziehen die richtige Schlussfolgerung und beten an: „Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!“ (Mat 14,33) Der Ausdruck „Sohn Gottes“ wurde dabei in dem Sinn gebraucht, wie es auch die Pharisäer verstanden, nämlich dass Jesus Gott war: „Darum nun suchten die Juden noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht allein den Sabbat aufhob, sondern auch Gott seinen eigenen Vater nannte und sich so selbst Gott gleich machte.“ (Joh 5,18)


    Vor allem konnte Jesus nicht nur aus eigener Vollmacht Wunder vollbringen, sondern auch Sünden vergeben – und die erstaunten Pharisäer sagten dazu ganz richtig: „Wer kann Sünden vergeben, als Gott allein?“ (Lk 5,21). Wir Christen können anderen Menschen im Namen Jesu zwar auch Vergebung zusprechen (Joh 20,23) – aber Jesus besaß diese Autorität von sich aus und musste nicht im Namen eines anderen sprechen.


    Das vielleicht wichtigste Argument: Jesus war sündlos, weil er Gott war (siehe dazu auch die separate Frage: "konnte Jesus sündigen?). Kein sündiger Mensch kann für einen anderen Menschen sein Leben als Lösegeld geben „Kann doch keiner einen andern auslösen oder für ihn an Gott ein Sühnegeld geben“ (Ps 49,8). Weil nach Rö 5,12 die Sünde zu jedem Menschen durchgedrungen ist, kann kein Mensch für Gott ein reines Opfer für andere Menschen sein. Im Gegensatz dazu heißt es von Jesus: „um wieviel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als Opfer ohne Fehl durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott!“ (Hebr 9,14)


    Obwohl Jesus rein äußerlich seine göttliche Pracht niedergelegt hat und die äußere „Gestalt eines Knechtes" annahm (Phil 2,7), behielt er sein göttliches Wesen vollständig bei.


    Vielleicht drückte es Paulus einmal am prägnantesten aus: „Denn in ihm wohnt das vollständige Wesen Gottes in leiblicher Gestalt.“ (Kol 2,9, DBÜ)


    Jesus war zu 100% Mensch:


    Viele Menschen mühen sich ab, wenn sie sich beim Bibellesen durch lange Stammbäume durchquälen müssen. Das Neue Testament fängt ausgerechnet mit einem solchen Stammbaum an, der Jesus auf den Stammvater Abraham zurückführt (Mat 1,2-16). Lukas führt Jesu Stammbaum sogar auf den ersten Menschen, Adam, zurück (Lk 3,23-38). Warum? Um die Menschheit Jesu zu betonen! Jesus war der verheißene Nachkommen Evas, der der Schlange den Kopf zertreten sollte (Gen 3,15). Jesus empfand Schwachheiten, Schmerzen und sogar Versuchungen wie wir und kann deswegen mit uns mitfühlen (Hebr 4,15). Jesus wird oft als „Sohn Gottes“ bezeichnet – aber ebenso auch als „Menschensohn“. Dieser Titel, der bereits im Buch Daniel in Bezug auf den kommenden Messias verwendet wird (Dan 7,13), zeichnet die menschliche Seite Jesu aus (unter Beibehaltung seines Messias-Charakters).


    Warum ist es wichtig, dass Jesus zu 100% Mensch war? Zum einen können wir Menschen nur einen anderen Menschen richtig verstehen – durch seine Menschwerdung redet Gott in einer uns zugänglichen Gestalt zu uns: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14). Zum anderen kann nur ein (sündloser) Mensch für einen anderen Menschen vor Gott einstehen und vermitteln: „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus“ (1Tim 2,5).


    Schönster Herr Jesu,

    Herrscher aller Herren,

    Gottes und Marien Sohn,

    dich will ich lieben,

    dich will ich ehren,

    meiner Seele Freud und Kron.“ 

    (Verfasser unbekannt, 17 Jhd).



  • Konnte Jesus sündigen?

    Einige würden die Frage bejahen, mit der Begründung, dass die Versuchungen Jesu keine wirklichen Versuchungen gewesen wären, wenn Jesus nicht tatsächlich die Möglichkeit zum Sündigen gehabt hätte. Es wird dabei auf Hebr 4,15 verwiesen: Jesus wurde versucht wie wir. Doch die ganze Begründung basiert auf einer "deduktiven Hermeneutik" (siehe die Frage:  Was versteht man unter "induktiver" bzw. "deduktiver" Hermeneutik?). Hebr 4,15 drückt erstmal nur aus, dass Jesus mit den selben Versuchungen konfrontiert wurde  wie wir Menschen. Die Stelle beantwortet noch nicht direkt unsere Eingangsfrage. Deduktiv könnte man auch gegenteilig argumentieren, dass der Heilsplan Gottes schon vor Grundledgung der Welt fest stand und verheißen wurde (Gen 3,15) - somit Jesus zu seiner Lebzeit auf Erden also nicht mehr die Möglichkeit hatte zu sündigen, ohne dieser Verheißung zu widersprechen (womit Gott zum "Lügner" gemacht worden wäre - ein Widerspruch in sich selbst).


    Es kann erstmal festgehalten werden: Jesus wurde Mensch und in allem versucht wie wir. Er teilte mit uns alle Bedürfnisse, die Menschen besitzen, z. B. nach Essen, Trinken, Schlaf, Schmerzfreiheit und Gemeinschaft. Auf all diesen Gebieten wurde Jesus versucht, seine Bedürfnisse unabhängig von Gott zu stillen. Der Teufel bot ihm in der Wüste Essen, Macht und Anerkennung an (Mat 4,1-10). In Gethsemane hätte Jesus durch einen Hilferuf den bevorstehenden Leiden entkommen können (Mt 26,53). Doch im Gegensatz zu uns verspürte Jesus keinerlei Lust, in Unabhängigkeit von Gott zu leben. Jesus rang nicht mit einer zweiten, inneren Natur und wurde nicht „von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt“ (Jak 1,14). Die Leidenschaften eines Menschen zeigen an, wessen geistliches Kind er ist. Dem sündigen Menschen verlangt von Natur aus danach, die Lust des Teufels zu tun (Joh 8,44) – und oftmals wird diese Lust auch in die Tat umgesetzt (Jak 1,15). Bei Jesus Christus stimmte hingegen jederzeit und uneingeschränkt der Satz „ich habe meine Lust an deinen Geboten, die ich liebe“ (Ps 119,47). Um es klar auszudrücken: Jesus konnte aufgrund seines sündlosen Wesens nicht sündigen. Diese Unmöglichkeit wird, in Verbindung mit unserer neuen Natur, auch in 1Joh 3,9 zum Ausdruck gebracht: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ Wir sind also in der Lage, die Eingangsfrage induktiv mit "nein" zu beantworten. Dabei stand Jesus nicht unter einem äußeren "Zwang", nicht sündigen zu können. Die Begründung liegt in seiner Natur: Jesus konnte aufgrund seiner göttlichen Natur nicht sündigen. In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich Christus auch von Adam: Adam war nie Wesenseins mit Gott. Der erste Mensch wurde als ein neues Wesen erschaffen und konnte (sollte!) sich gegenüber Gott positionieren. Fatalerweise suchte er dabei die Autonomie – die Unabhängigkeit von seinem Schöpfer. Christus hingegen ist von Ewigkeit her wesensgleich mit Gott und hat dies durch sein Leben auf Erden unter Beweis gestellt: er war „eins“ mit dem Vater (Joh 17,22).

  • Was versteht man unter "induktiver" bzw. "deduktiver" Hermeneutik?

    Hermeneutik ist die Methode, nach der ein Text ausgelegt wird. Hier unterscheidet man zwei Vorgehen: "Induktiv" bedeutet, dass man den Text selbst sprechen lässt und sich fragt, was dieser aussagen möchte. "Deduktiv" bedeutet, dass man den Text anhand von bereits vorhandenen Erkenntnissen so auslegt, dass er mit diesen Erkenntnissen konform geht. Beispiel: in Jes 7,14 wird dem König Ahas verheißen, dass "eine Jungfrau schwanger und einen Sohn gebähren werden wird." Eine induktive Hermeneutik würde versuchen, die Frage zu beantworten, wie Jesaja und Ahas diese Verheißung verstanden haben. Es wäre das verwendete Wort für "Jungfrau" zu untersuchen (bedeutet es "Jungfrau" oder "junge Frau") etc... Eine deduktive Exegese würde hingegen mit dem Vorwissen herangehen, dass Mat 1,23 diese Verheißung auf Jesus bezieht und Jes 7,14 entsprechend deuten. Grundsätzlich sind beide hermeneutischen Methoden legitim - nur muss man die Chancen und Risiken beider Methoden kennen. Eine rein induktive Methode lässt möglicherweise Erkenntnisse außer Acht, die die Bibel an anderen Stellen beisteuert - teilweise über das Wissen der ursprünglichen Empfänger hinaus. Eine rein deduktive Methode birgt die Gefahr, dass eigene Glaubensüberzeugungen in einen Text hineingelegt werden, dieser möglicherweise vergewaltigt wird, und seine ursprüngliche Bedeutung verloren geht. Allgemein kann empfohlen werden, zunächst induktiv an den Text heran zu gehen und sich die Frage stellen: "was möchte der Text für sich zum Ausdruck bringen?" Nach diesem Schritt ist ehrlich festzuhalten, was ein Text "für sich betrachtet" aussagen bzw. nicht aussagen möchte. Anschließend können, mit entsprechender Vorsicht, deduktiv die Erkenntnisse anderer Schriftaussagen an den Text herangetragen werden.

  • Wird ein Mensch durch Glauben oder Werke errettet? Rö 4,5 und Jak 2,14 scheinen sich hier zu widersprechen.

    Das Wort "Glaube" kann sowohl im griechischen wie auch im deutschen Sprachgebrauch zwei Bedeutungen haben:

    (1) das "für wahr" halten einer Aussage. Z. B. "ich glaube, dass Jesus auf dem Wasser gelaufen ist" bedeutet: "ich halte es für eine Tatsache, dass Jesus auf dem Wasser gelaufen ist".

    (2) Vertrauen. "Ich glaube an den Nationaltrainer" bedeutet: "Ich vertraue, dass der Nationaltrainer fähig ist, seine Mannschaft weiter zu bringen".


    Diese Bedeutungsunterschiede spiegeln sich auch in der Bibel wieder. Paulus geht es darum, dass Menschen Jesus vertrauen. Das vertrauen darauf, dass Jesus sein Leben für unsere Sünden geben hat und mich ehemals gottlosen rechtfertigt reicht aus, um errettet zu werden. Das meint Paulus mit seiner Aussage in Rö 4,5. Jakobus hat hingegen die erste Bedeutung im Sinn: wer meint, durch ein "für Wahr halten" von Glaubensgrundsätzen reiche aus, um errettet zu werden, der täuscht sich - denn dazu sind selbst die Dämonen in der Lage (Jak 2,19). Vielmehr drückt sich der wahre Glaube, d. h. das wahre Vertrauen dadurch aus, dass sich das Leben ändert. Anders ausgedrückt: Werke können uns nicht von unseren Sünden erretten - nur das Vertrauen in das Werk Jesu ist hierzu in der Lage. Das wahre Vertrauen in Jesus bewirkt aber, dass sich der Lebensstil einen Menschen ändert und er "Werke" hervorbringt. Hiermit steht Jakobus auf der selben Seite wie Paulus (siehe z. B. Ro 12,1 ff)

  • Hat der Mensch einen freien Willen?

    Hier ist erstmal zu definieren, was unter "freien Willen" verstanden wird. Im Rahmen seiner Möglichkeiten kann ein Mensch Willensentscheidungen treffen, deren Konsequenzen er auch zu tragen hat. Wirkliche Freiheit bedeutet, dass ein Mensch in der Lage ist, seinen Willen stets frei umzusetzen - z. B. ein Leben zu führen, das nur noch Gott ehrt. Diese Freiheit spricht Jesus seinen Zeitgenossen ab: "Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht" (Joh 8,34). Ohne den Geist Gottes, lebt der Mensch in Sklaverei: er wird zur Sünde, zur Unabhängigkeit Gott gegenüber getrieben - er kann und will nicht davon loskommen; sein Wille ist laut Jesus "geknechtet". Dem Menschen liegen zwar objektiv beide Wege offen: sich Gott zuzuwenden oder sich von ihm abzuwenden - doch letztendlich wird er sich ohne Gottes Eingreifen stets gegen ihn entscheiden. Er ist ein Knecht der Sünde und ein Knecht seiner selbt. Dies macht den Menschen nicht weniger schuldig, sondern zeigt seine verzweifelte Lage: er kann sich aus dieser Knechtschaft nicht aus eigener Kraft befreien. Wirkliche Freiheit erlangt der Mensch, der Jesus begegnet und sich ihm anvertraut: "wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr wirklich frei" (Joh 8,36). Hier haben wir also einen scheinbaren Widerspruch: die Unabhängigkeit von Gott führt Menschen in die Knechtschaft - die völlige Abhängigkeit von Gott (Paulus bezeichnet sich meist als "Sklave Christi"), führt in die wahre Freiheit.

  • Was versteht man unter der "völligen Verderbtheit des Menschen"?

    Aus dem Englischen: "total depravity".


    Das Denken, das Wollen und das Fühlen des natürlichen Menschen sind in Bezug auf Gott "tot in den Sünden" (Eph 2,1). Das bedeutet nicht, dass der Mensch von sich aus nicht punktuell zu einem ethisch lobenswerten Verhalten in der Lage wäre (Rö 2,14), doch in Summe ist sein Leben Gott entgegen gesetzt: er verherrlicht Gott nicht, er dankt ihm nicht, er versteht ihn nicht (Rö 1,21). So wenig wie ein toter Mensch eine äußere Stimme wahrnimmt, so wenig reagiert der geistlich tote Mensch auf den Ruf zur Umkehr, wenn Gott ihn nicht "geistlich zum Leben erweckt" (Joh 3,3). In der Praxis, kann man sich an die Vorgehensweise des  Apostel Paulus halten:  er predigte nicht nur das Evangelium, sondern rief auch zum Gebet auf, damit das verkündigte Wort aufgenommen werden würde (2Thess 3,1). Paulus war sich bewusst, dass für jede Bekehrung ein Eingreifen Gottes nötig ist.


    Jesus fasst es in Joh 6,44 folgendermaßen zusammen: "Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht"

  • Was versteht man unter "bedingungslose Erwählung"?

    Aus dem Englischen: "unconditional election".


    Da der Mensch von sich aus nicht zum Heil finden kann (siehe Frage zur "völligen Verderbtheit des Menschen" und zum "freien Willen"), liegt der Grund für eine Bekehrung nicht darin, dass ein Mensch etwas mehr Verstand, Einsicht oder geistliche Größe besäße als andere, sondern dass Gott ihn "vor Grundlegung der Welt erwählt hat" (Eph 1,4). Die Bibel sagt nicht, dass Gott seine Erwählung von der (im Voraus gesehenen) menschlichen Reaktion abhängig gemacht hätte. Rö 8,29 sagt: "Welche er zuvorerkannt hat, die hat er vorherbestimmt". Das gr. Wort "proginosko" (zuvorerkannt) drückt kein Vorherwissen aus und schon gar nicht das Vorherwissen einer bestimmten menschlichen Reaktion auf Gottes Angebot (vgl. dessen Gebrauch in Rö 11,2, wo es Luther mit "erwählen" übesetzt).  "pro-ginosko" drückt eine Liebes-Beziehung zwischen Gott und dem Menschen aus ("ginosko" wird erstmalig in Gen 4,1 verwendet, um die intime Beziehung zwischen Adam und Eva zu bezeichnen). Der letzte und tiefste Grund für die Errettung liegt also nicht im Willen des Menschen verankert, sondern in der erwählenden Liebe Gottes. Den Christen bleibt das Gotteslob: "Wir aber müssen Gott allezeit für euch danken, vom Herrn geliebte Brüder, daß Gott euch von Anfang an erwählt hat zur Rettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit" (2Thess 2,13).

  • Was versteht man unter "begrenzter Sühne"?

    Aus dem englischen "limited atonement".


    Gemeint ist, dass Jesus am Kreuz nur die Sünden der Erwählten getragen habe. Dies ist schwierig induktiv zu beweisen. Auf der einen Seite wird Jesus als das "Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt" bezeichnet (Joh 1,29). Auf der anderen Seite sagt Jesus, dass er sein Blut als Lösegeld "für viele" gab (Mk 10,45), mutmaßlich mit Verweis auf die "vielen Erretteten" und nicht auf "alle Menschen". Hier gilt es, nicht mehr in einen Text hineinzulesen, als er tatsächlich aussagt. Vermutlich trifft es den Kern am besten, wenn Jesu Tod als ausreichend gesehen wird, die Sünden der ganzen Welt zu tragen und somit auch das Angebot der Erlösung an jeden Menschen gerichtet werden kann (2Kor 5,20).  Effektiv (d. h. letztendlich "wirksam") wurden nur die Sünden der Gläubigen tatsächlich hinweggenommen - die Sünden der übrigen Menschen bleiben beim jüngsten Gericht bestehen.


    Grundsätzlich ist es aber wichtig zu sehen, dass Jesus nicht einfach "für alle Menschen gestorben ist" und seitdem passiv abwartet, wer sein Angebot annimmt. Jeder Mensch ist von Grund auf verdorben und kann sich selbst weder erretten noch bekehren. Für beides braucht es die aktive Gnade Gottes, und den Heiligen Geist, der den Menschen mit geistlichem Leben füllt. Für die Menschen, die Gott vor Grundlegung der Welt erwählt hat, wurde Jesus Christus primär gesandt. Für sie speziell, hat er sein Leben gelassen - auch wenn sein Tod ausreichen würde, die gesamte Schuld der Menschheit zu tilgen.

  • Was versteht man unter "unwiderstehliche Gnade"

    Aus dem Englischen: "irresistible grace".


    Der Ausdruck geht auf Jesu Wort zurück: "Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen" (Joh 6,37). Demnach gibt es niemanden, den Gott, der Vater, erwählt und seinem Sohn gegeben hat, der nicht auch zur Errettung in Jesus Christus finden würde. Viele Menschen hören zwar das Evangelium und werden "berufen", Jesus nachzufolgen - aber Jesus macht deutlich, dass es für den letzten Schritt noch mehr braucht, nämlich Gottes erwählendes Handeln: "Denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte." (Mt 22,14)

  • Was versteht man unter "Beharrlichkeit der Heiligen"?

    Aus dem Englischen: "perseverance of the saints".


    Der Ausdruck geht auf die Gewisseit zurück, dass ein von Gott erwählter Mensch nicht nur ganz sicher errettet wird, sondern auch im Glauben "verharren", d.h. standhaft bleiben wird. In Joh 10,27-29 sagt Jesus: "Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben". Ähnlich schrieb Paulus, dass ein jeder "... steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr vermag ihn aufrecht zu halten" (Rö 14,4)

  • Gibt es eine "doppelte Erwählung" (zum Heil und zur Verdammnis)?

    Die Lehre der doppelten Prädestination sagt aus, dass Gott die einen Menschen zum Heil, die anderen zur Verdammnis vorherbestimmt hat. Diese Lehre ergibt sich für viele als logische Konsequenz der "Erwählungslehre" (siehe Frage zur "bedingungslosen Erwählung"). Die doppelte Prädestination wird aber in der Form nicht in der Bibel erwähnt. Falsch wäre die Grundannahme, dass der Mensch sich zunächst auf einem neutralen Boden befände, von dem aus ihn Gott hervor holt, um ihn dann zur Verdammnis oder zum Heil zu bestimmen. Diese Annahme ist falsch, da sich der Mensch nicht auf "neutralen Boden", sondern bereits ohne Zutun Gottes auf dem Weg in die Verdammnis befindet (Joh 3,36b). Gott braucht niemanden zur Verdammnis zu erwählen - auf diesem Weg befindet sich der Mensch bereits von alleine. Gottes Eingreifen ist aber nötig, um den Menschen zu erretten ("Erwählung zum Heil").

  • Ist Gott nicht ungerecht, wenn er einige Menschen gar nicht zum Glauben erwählt? Sie haben doch keine Chance!

    Diese Frage stellte auch Paulus im Römerbrief und beantwortete sie:

    "Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden? Ja freilich, o Mensch, wer bist du, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich so gemacht ? Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen ?" (Rö 9,19-21)


    Für viele erscheint diese Antwort unbefriedigend. Der Kern ist aber, dass wir hier die Grenze dessen erreichen, was einem Menschen zusteht zu wissen. Wir dürfen wissen, dass Gott nichtsdestotrotz gerecht ist und sich von uns auf keine Anklagebank versetzen lässt. Deswegen wollen wir Gott weder anklagen, noch verteidigen, sondern vertrauen, dass er stets recht, gerecht und im Einklang mit seinem Wesen der Liebe handelt.


    Letztendlich wird niemand verloren gehen, weil Gott ihn nicht erwählt hat, sondern weil er sich von Gott abgewendet und in vielen Fällen den Rettungsweg, den Jesus Christus anbietet, willentlich abgelehnt hat.

  • Was versteht man unter "Dispensationalismus"? Wie ist diese Lehre zu bewerten?

    Das Wort "Dispensationalismus" ist aus dem Englischen bzw. Lateinischem übernommen und bedeutet "Haushaltungslehre". Diese geht auf John N. Darby (1800-1882) zurück, wurde weiterentwicklet und u.a. durch die Kommentare der "Scofield Bibel" (1909) verbreitet. Vereinfacht besagt sie, dass Gott in 6 bis 9 verschiedenen Zeitabschnitten unterschiedliche Heilswege aufzeigte bzw. noch aufzeigen wird. Insbesondere wird streng zwischen der Heilszeit des Gesetzes und der Heilszeit der Gnade unterschieden und eine deutliche Trennung zwischem dem Gottesvolk Israel und dem Gottesvolk der Gemeinde betont. Als Konsequenz werden weite Teile der Bibel (z.B. viele AT-Prophetien) als für die Gemeinde nicht direkt relevant erachtet und wörtlich auf das irdische Volk Israel ausgelegt. Je nach Ausprägung des Dispensationalismus werden auch die Lehren der Evangelien, z.B. die Bergpredigt, als nicht für die Gemeinde relevant gesehen. Die Offenbarung  4-19 wird als Beschreibung einer Zeit gesehen, die die Gemeinde durch eine "Vorentrückung" nicht mehr erleben wird (siehe gesonderten Artikel zur Vorentrückungslehre). Die 144.000 werden als wörtliche Auswahl von Israeliten interpretiert (siehe gesonderte Frage zu den 144.000).


    Bewertung: die problematischste Konsequenz des Dispensationalismus ist das Beschneiden der Bibel für die Gemeinde Jesu. Laut Mat 28,20 gehört es zum Hauptauftrag der Gemeinde, das Halten der Lehren Jesu zu lehren - dies ist nicht vereinbar mit der Auffassung, die Reden Jesu wären nur für Israel relevant. Auch die wörtliche Interpretation aller AT-Prophetien lässt die Auslegung Jesu und der Apostel unberücksichtigt - dabei müssen gerade sie unsere Vorbilder für die Hermeneutik sein: Jesus ist der "eine Lehrer" (Mt 23,8) und unser Exeget (Lk 24,44ff).

    Beispiel: wenn Jes 2 für sich betrachtet noch bedeuten könnte, dass alle Nationen zum Berg Zion nach Jerusalem strömen werden, so sollten wir bedenken, dass Petrus (1Pet 2,6) und der Verfasser des Hebräerbriefs (Heb 12,22) Zion bildhaft als Sammlungsort der Gläubigen verstanden.


    Auch die strickte Trennung zwischen der Gemeinde und dem gläubigen Israel ist problematisch. Jesus bezeichnete beide als "eine Herde" mit "einem Hirten" (Joh 10,16). Paulus definiert den Begriff des Juden als jemand, der im Herzen und nicht äußerlich beschnitten ist (Rö 2,28f). Die Gemeinde ist Teilhaber des neuen Bundes - dieser wurde allerdings schon für das (gläubige) Israel verheißen (Jer 31,31; Hebr 8,8; 9,15). 


    Dies alles bedeutet nicht, dass das irdische Israel keine Zukunft haben wird - Apg 1,6f und Rö 11,26 können so verstanden werden. Doch gerade Rö 11 benutzt das Bild des "einen Ölbaums".


    Der Artikel zur Vorentrückungslehre geht im letzten Kapitel noch detailliert auf die eschatologischen Konsequenzen ein. 


Glaubens- und Lebensfragen


  • Was bedeutet "glauben"?

    Mit einem Wort würde ich „glauben“ mit „vertrauen“ gleichsetzen. Im Griechischen gibt es sogar nur einen Begriff, der beides ausdrückt („pisteuo“). Damit ist „glauben“ nicht als Gegenteil zu „wissen“ zu verstehen und geht sogar deutlich weiter als ein reines „für-wahr-halten“. „An Gott glauben“ bedeutet, dass ich aufgrund dessen, was ich über Gott weiß, ihm als Person und allem, was er mitgeteilt hat, fest vertraue - ganz zentral beinhaltet das zum Beispiel, dass ich vertraue, dass Jesus für meine Schuld und an meiner Statt am Kreuz bestraft wurde, und dass er mich in meinem Leben begleitet. Es beinhaltet auch, dass ich ihm die Führung meines Lebens anvertraue. Somit wird deutlich, dass diese Art von „Glaube“ die eigene Lebensgestaltung entscheidend prägt.

  • Wie geht es nach dem Tod weiter? Gibt es Himmel und Hölle?

    Jesus nennt zwei Möglichkeiten, wie es für einen Menschen nach dem Tod weitergehen kann. In Joh 5,28f steht:  "Wundert euch darüber nicht. Denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts." Demnach ist allen Menschen gemeinsam, dass der Tod auf Erden kein Schlusspunkt ist - sondern es gibt eine "Auferstehung". Unterschieden werden zwei Auferstehungen: 


    Die "Auferstehung des Leben" ist dabei vor allem qualitativ zu verstehen: es ist ein Leben in der Gegenwart Gottes, ein Leben, das unserer eingentlichen Bestimmung als Menschen entspricht. Alles schöne, das wir in diesem Leben erfahren und alle Aufgaben, die wir verantwortungsvoll übernehmen, geben nur eine schwache Vorstellung von dem, was auf diejenigen wartet, die in Gottes Nähe die Ewigkeit verbringen werden. Alles Schöne auf Erden wird getrübt durch Vergänglichkeit und das allgegenwärtige Leid. Vom Ort in der Gegenwart Gottes heißt es jedoch: "und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen." (Offb 21,4)


    Die "Auferstehung des Gerichts": Die Folge der Sünde, der Auflehnung gegen Gott und des "unabhängig sein wollen von Gott" ist das Gericht Gottes, dem niemand ausweichen kann. Niemand in der Bibel sprach so häufig über die Hölle wie Jesus selbst - meist als Warnung. Der Ort wird in der Offenbarung auch als "Feuerofen" beschrieben: "Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl." (Offb 20,15, Luther-Übersetzung). Damit ist nicht die Auslöschung der Existenz gemeint, sondern ein Ort der Qual (Offb 20,10), jenseits von Gottes Gegenwart.


    Jeder Mensch hat es verdient, "zum Gericht" aufzuerstehen. Der Grund ist: jede Sünde ist "unendlich schlimm", denn sie ist gegen den "unendlichen Gott" gerichtet und verdient "unendliche Strafe" (Rö 6,23a). Auch "gute Werke" können eine Sünde nicht ungeschehen machen. Die Bibel redet auch nicht davon, dass Gott in irgendeiner Form die "guten Werk" gegenüber den "schlechten Werken" aufwiegen wird und somit zum Urteil kommt. Die Botschaft der Bibel lautet, dass Jesus die Strafe Gottes trug - er ist "das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt" (Joh 1,29). Das Schicksal unserer persönlichen Auferstehung hängt davon ab, ob wir Jesus unser Vertrauen schenken: "Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm" (Joh 3,36). Jesus und die Apostel riefen ihre Zeitgenossen dazu auf, eine "Bekehrung" zu vollziehen, d. h. sich vom bisherigen Lebensstil zu distanzieren und eine Beziehung zum lebendigen Gott zu beginnen (Mt 4,17; Apg 3,19; Apg 16,31). Diese Beziehung ist geprägt vom Vertrauen darin, dass Jesus die Strafe für unsere Sünden getragen hat und uns als "Herr" in unseren Lebensentscheidungen den Weg zeigt.



  • Ich kann nicht an Gott glauben, weil es soviel Leid auf der Welt gibt. Wie kann ein liebender Gott das zulassen?

    Gott hat den Menschen nicht für das Leid geschaffen, sondern für die Freude und die Gemeinschaft mit ihm. Es war der Mensch, der sich in seinem Autonomiebestreben von Gott abgewendet hat. Leid entstand dort, wo der Mensch einen Weg abseits von Gott suchte. So wie der Schmerz ein Symptom ist, das auf eine Krankheit oder Verletzung hinweist, so ist das Leid dieser Welt ein Symptom dafür, dass wir Menschen uns jenseits unserer eigentlichen Bestimmung befinden. Um das Leid dieser Welt zu entfernen, muss die Ursache für das Leid beseitigt werden - die Ursache ist aber der sündige Mensch, der jenseits von Gott lebt. Und das sind wir alle. Jeder von uns, auch diejenigen, die sich über das Leid beklagen, haben selbst Leid in die Welt gebracht. Die Vernichtung des Leides würde also nur mit der Vernichtung der gesamten Menschheit gelingen. Statt dessen wählte Gott einen anderen Weg: er ließ seinen eigenen Sohn leiden: "Jedoch unsere Leiden - er hat sie getragen, und unsere Schmerzen - er hat sie auf sich geladen" (Jes 53,4). Am Kreuz trug Jesus die Ursache für das Leid dieser Welt: auch meine und Ihre Sünden. Wer darauf vertraut, darf dem Zeitpunkt entgegen fiebern, in dem Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Hiervon reden die letzten Verse der Bibel: "Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde [...] und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein: denn das Erste ist vergangen." (Offb 21,1-4)

  • Ich kann nicht an Gott glauben, weil die Religionen nur Krieg und Elend in die Welt gebracht haben.

    Es stimmt: im Namen der Religionen, auch des Christentums, wurde viel Leid in die Welt gebracht. Wie leicht lassen sich die religiösen Gefühle und Vorstellungen von Menschen für politische oder eigene Interessen instrumentalisieren! Doch dies gilt nicht nur für die Religionen. Die größten Diktaturen der Menschheitsgeschichte fußten auf atheistische, teilweise darwinistische Weltanschauungen.


    Bei jeder Lehre muss zwischen dessen eigentlichen Inhalt und dessen Missbrauch unterschieden werden. Die Lehre Jesu, dass seine Nachfolger sogar ihre Feinde zu lieben hätten, war revolutionät (Mat 5,44) - viele, die sich als Christen bezeichnet haben, sind diesen Weg nicht gegangen. Das bedeutet aber nicht, dass die ursprüngliche Lehre Jesu nicht wert sein, aufgegriffen, geglaubt und gelebt zu werden. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sich in allen Jahrhunderten Christen durch Nächsten- und Feindesliebe ausgezeichnet haben. So waren die Christen Roms in den ersten Jahrhunderten als die Einzigen bekannt, die sich um die ausgestoßenen Leprakranken gekümmert haben. Auch heute sind christliche Werke in allem Kontinenten aktiv, um das Leid der Menschen zu lindern und ihnen die Liebe Gottes ganz praktisch nahe zu bringen. 


    Am Ende bleibt es jedem selbst überlassen, ob er den Missbrauch der Religionen als Entschuldigung dafür gebrauchen möchte, dass er sich von allem Religiösen lossagt, oder ob er zur ursprünglichen Lehre zurückkehren und Jesu Leben & Lehre zu seinem Vorbild machen möchte.

  • Was ist mit ungeborenen Kindern oder Kleinkindern, die sterben? Kommen sie in den Himmel?

    Einleitend soll ein Trostwort stehen, nämlich die Feststellung Abrahams: „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“ (Gen 18,25). Das Gericht steht allein Gott zu – und wir dürfen wissen: es wird „recht“ sein – auch über Menschen, die vor oder kurz nach der Geburt gestorben sind bzw. aufgrund von Alter oder Behinderung keine persönliche Entscheidung zum Guten oder Bösen treffen konnten. 


    Es lässt sich weiter feststellen, dass die Bibel nur sehr verhalten Aussagen über Dinge trifft, die wir nicht beeinflussen können. Auch hier gilt, dass wir ein tiefes Vertrauen in dem Gott haben dürfen, der „recht richtet“.


    Nähern wir uns der Frage dogmatisch, gibt es zwei weitere Punkte, über die Gewissheit herrscht:

    Erstens: Die Auswirkungen des Sündenfalls hat nach Rö 5,12 alle Menschen (und nach Rö 8,20 sogar die „unschuldige" Tierwelt) getroffen. Wenn ein Kind früh stirbt, dann ist die letzte Begründung dafür dieselbe, wie wenn ein Mensch im hohen Alter stirbt: es ist die Auswirkung der universellen (d.h. „alle und alles umfassende“) Sünde. Die Folge dieser sog. Erbsünde ist zum einen der leibliche Tod (in welchem Alter auch immer) und zum anderen der geistliche Tod, d.h. die ewige Trennung von Gott.

    Zweitens: Errettet wird ein Mensch nur durch das Opfer Jesu Christi – aus Gnade. Wenn (hier benutze ich bewusst den Konjunktiv) ein ungeborenes Baby nach dem Tod errettet wird, dann nicht, weil es noch keine Tatsünde begangen hat – sondern allein aus Gnade auf Basis des Opfertodes Jesu. Wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben, wäre die Eingangsfrage einfach zu beantworten: jeder Mensch, jeden Alters, müsste verdammt werden.


    Die Frage ist also, ob Gott dem Ungeborenen / Säugling / Kleinkind gnädig ist. Induktiv lässt sich diese Frage m.E. nicht ganz klar beantworten. Es gibt aber Hinweise in der Bibel, die einen eher hoffnungsvollen Ton haben. David, der sein neugeborenes Kind verlor, war hoffnungsvoll: „Ich werde wohl zu ihm fahren“ (2Sam 12,23). Ob er damit lediglich das Grab meinte? Möglicherweise. Vielleicht sah er aber auch darüber hinaus ein Wiedersehen in der Ewigkeit – das würde den Trost, den er empfand, m.E. besser erklären. Als weiteren Indiz haben wir Jesus, der über Kindern sprach: „denn solchen gehört das Himmelreich“ (Mat 19,14). Sicherlich meinte Jesus erstmal ihre kindliche Veranlagung, Vertrauen zu schenken. Aber hätte er dies gesagt, wenn Kinder im Todesfall grundsätzlich verloren wären? Wir wissen es nicht ganz sicher – aber auch hier gibt es –  möglicherweise – ein Indiz. Weiter heißt es in Lk 12,48: „wem viel gegeben ist, von dem wird man auch viel suchen“. Was ist nun mit Menschen, denen „nichts“ gegeben wurde? Zuletzt ein Blick zum Endgericht. Nachdem der Teufel und seine Engel in den Feuersee geworfen werden, werden die „übrigen Toten“, deren Namen nicht im Buch des Lebens stehen, „nach ihren Werken“ gerichtet (Offb 21,12f). Was ist nun mit Menschen, die keine Werke (weder gut noch böse) vorzuweisen haben? Aus dem Schweigen des Textes könnte die Frage positiv gedeutet werden, ein solches „argumentum ad silentio“ ist aber das Schwächste aller Argumente – somit bleibt auch hier ein Fragezeichen stehen.

    In Summe mag die Antwort nicht befriedigen, denn eine gewisse Unsicherheit bleibt. Es gibt hoffnungsvolle Töne im Alten wie im Neuen Testament, aber keine unumstößliche Gewissheit über das Schicksal der Ungeborenen und Kleinkinder. Hier deswegen nochmal zum Anfang zurück: Gott ist gerecht und hat die souveräne Möglichkeit durch das Blut Jesu gnädig zu sein, wem er gnädig sein will. Soli Deo Gloria.


  • Das Christentum behauptet, dem reuigen Sünder wird die Schuld vergeben und er kann in den Himmel kommen. Aber welcher Ausgleich wird im Jenseits hinsichtlich der Opfer getroffen? Wie wird z. B. ein Ermordeter, der um seine Lebenschancen gebracht wurde oder einer durch Verbrechen zeitlebens Behinderter „entschädigt“?

    Bevor ich auf einen möglichst fairen Ausgleich für das hier Erlebte eingehe, möchte ich einen Schritt zurück gehen und einen grundsätzlicheren Blick auf die Situation des Menschen werfen. Die Bibel redet davon, dass es sowohl hier wie auch im Jenseits vor allem um eine konkrete Beziehung geht: die Beziehung zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf. Der Himmel ist in erster Linie eine ewige, enge Beziehung zu Gott – und damit unbeschreiblich schön. Die Hölle ist in erster Linie eine ewige Gottesferne – und damit unbeschreiblich qualvoll. Letztendlich dreht sich in der Bibel fast alles um die Frage, wie die durch unsere Sünden in eine tiefe Krise geratene Beziehung zwischen Gott und uns schrittweise wiederhergestellt wird – zumindest für die Menschen, deren Sünden vergeben wurden. Das Jenseits ist in gewisser Weise die Fortsetzung einer Beziehung, die hier auf Erden schon begonnen hat – oder eben die Fortsetzung einer fehlenden Beziehung zu Gott mit allen dramatischen Konsequenzen.


    Unter der Annahme, dass das in der Frage erwähnte Opfer die Beziehung zu seinem Schöpfer gesucht und in Jesus Christus gefunden hat, wird es im Jenseits die perfekte Beziehung zwischen Gott und sich selbst ausleben können, mit allem was sich der unendliche und liebende Gott unter einer perfekten Beziehung vorstellt. Eine gute Beziehung auf Erden wird nur ein schwacher Schatten für das sein, was ihn einmal erwartet. Der Prophet Jesaja schrieb hierzu: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird“ (Jes 65,17). Die Entschädigung und der Trost sind in erster Linie die gelebte, ungetrübte und perfekte Beziehung des Geschöpfs mit seinem Schöpfer, Herrn und Erlöser. Das vergangene Unrecht wird laut Jesaja noch nicht einmal mehr in den Sinn kommen, in etwa so, wie wir bei einem freudigen Ereignis – z. B. der eigenen Hochzeit – buchstäblich „die Welt um uns herum vergessen“.


    Letztendlich wird aber auch dem hier Erlebten einmal Rechnung getragen werden. Dem reichen Mann, der vor seiner Haustür den “armen Lazarus” quasi verhungern ließ, wird gesagt: “ Mein Sohn, denk daran, dass du zu deinen Lebzeiten deinen Anteil an Gutem bekommen hast und dass andererseits Lazarus nur Schlechtes empfing. Jetzt wird er dafür hier getröstet, und du hast zu leiden” (Lk 16,25). Hier wird also direkt davon gesprochen, dass jemand für das hier erlittene Leid einmal getröstet werden wird. Eine genaue Ausmalung dieses Trosts gibt es in der Bibel nicht, vielleicht weil uns dafür die passenden Worte fehlen. Wichtig ist in der Geschichte des Lazarus aber, dass der Trost allem Anschein nach überwältigend ist und das Bisherige völlig überdeckt – es handelt sich also um einen wahren, bleibenden, die ganze Existenz umfassenden Trost und weit mehr als um einen bloßen „Ausgleich“. Paulus, der unschuldig ins Gefängnis geworfen, gefoltert, von fast allen Freunden verlassen und schlussendlich ermordet wurde, schrieb: „Im Übrigen meine ich, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen, wenn wir an die Herrlichkeit denken, die Gott bald sichtbar machen und an der er uns teilhaben lassen wird” (Rö 8,18).


    Das bisher Gesagte soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder Mensch vor allem auch Täter und nicht (nur) Opfer ist. Auch die Opfer dieser Welt brauchen Vergebung für das, was sie Böses getan und gedacht haben, wo sie in Unabhängigkeit von ihrem Schöpfer gelebt haben, ihm gegenüber nicht dankbar waren und das Gute, das sie hätten tun können, nicht ausgeübt haben (zur Frage nach dem Schicksal der „Unmündigen“ und Babys gibt es übrigens eine eigene Antwort auf dieser Seite). Vor Gott genügt es also nicht, dass jemand hier zum Opfer wurde, um ihn später einmal annehmen und trösten zu können. Das Problem seiner persönlichen Schuld muss erstmal gelöst werden. Doch auch hier reicht Gott die Hand: der Mensch darf sich zu seinen Lebzeiten demjenigen anvertrauen, der wirklich völlig unschuldig für ihn zum Opfer wurde, nämlich Jesus, der nicht nur von Menschen skandalös und grausam hingerichtet, sondern auch von Gott verlassen und verflucht wurde, als er die Sünden aller Täter und Opfer dieser Welt trug. Übrigens erlebt auch Jesus einen Ausgleich für seine Leiden: es ist seine Freude über einen Menschen, der zu Gott, seinem Schöpfer umkehrt (Lk 15,4-7).

  • Was ist der Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung?

    Vergebung und Versöhnung sprechen unterschiedliche Aspekte in einer Konfliktbereinigung an.


    Vergebung“ betrifft die juristische Seite und beschreibt, was mit der Schuldfrage geschieht: da, wo Schuld vergeben ist, wird sie nicht mehr zugerechnet. In Mat 18,21-35 beschreibt Jesus mit einem Gleichnis, was Vergebung ist. Er nimmt als Beispiel eine finanzielle Schuld. Da, wo sie vergeben ist, wird sie vom Gläubiger nicht mehr eingefordert. Schuld und Sünde können sowohl als Reaktion auf die Bitte des Schuldners, als auch aus eigenem Antrieb vergeben werden. Der normale Weg ist, dass der Sünder seine Schuld einsieht und um Vergebung bittet (Mat 6,12). Doch im christlichen Zeugnis wie auch in der Seelsorge kann dem Geschädigten geraten werden, auch einseitig und ohne Vorbedingung zu vergeben. So bitten Jesus und Stephanus Gott, dass er ihren Peinigern vergeben möge, ohne dass diese Anzeichen von Reue gezeigt hätten (Lk 23,34; Apg 7,60).


    Versöhnung“ betrifft die Beziehungsseite einer Konfliktbereinigung. Das griechische Wort für Versöhnung ist „katallagē“ und bezeichnet eine Veränderung, einen Tausch: „Feindschaft, Zorn oder Krieg“ wird durch „Freundschaft, Liebe oder Frieden“ ersetzt (EWNT3, 645). Anders als der Vergebungsakt, ist „Versöhnung“ ein Akt, oftmals auch ein Prozess, der stets zwei aktive Seiten erfordert (auch dann, wenn nur eine Seite gesündigt haben sollte). Zwar wird eine Seite den berühmten „ersten Schritt“ machen müssen – am Ende des Tages sind aber beide Parteien gefragt. So wird beispielsweise in 1Kor 7,11 die geschiedene Frau aufgefordert, unverheiratet zu bleiben oder sich mit ihrem Mann zu versöhnen. Vergebung wäre auch im geschiedenen Zustand denkbar – aber nur Versöhnung stellt die eheliche Gemeinschaft wieder her.


    Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Vergebung eine Voraussetzung für Versöhnung ist – Versöhnung aber über die Vergebung hinausgeht. Versöhnung stellt die Beziehung zwischen zwei Parteien wieder her, so dass beide wieder einen gemeinsamen Weg gehen können.


    Die biblische Botschaft ist, dass Gott uns in Jesus Christus nicht bloß die Sünden vergibt, um uns dann weiterhin unsere eigenen Wegen gehen zu lassen (quasi im „geschiedenen Zustand“), sondern er will Gemeinschaft mit uns… echte Versöhnung (2Kor 5,20; Kol 1,20).


  • Sollen wir zu Gott, dem Vater oder zu Jesus Christus beten?

    Grundsätzlich finden wir in der Bibel beides. Jesus lehrte seine Jünger im sogenannten Vater-unser: Darum sollt ihr so beten: "Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt..."  (Mat 6,9, Elb-Übersetzung).


    Aber auch Jesus, die zweite Person der Dreieinigkeit, nahm Anbetung an: kurz nach seiner Geburt fielen bereits die Weisen vor ihm nieder und beteten an (Mat 2,11). Auch seine Jünger fielen in Mat 14,33 anbetend vor ihm nieder (eine Handlung, die nach Offb 22,8f nur Gott zusteht). Der geheilte Blinde betete ihn ganz selbstverständlich an, nachdem er wusste, dass er es mit dem Messias zu tun hat (Joh 9,38), ebenso der Apostel Thomas nach seiner Auferstehung (Joh 20,28). Jesus nahm - im Unterschied zu den Engeln - diese Anbetungen stets entgegen. Auch lehrte er seine Jünger, dass ausschließlich diejenigen, die den Sohn ehren würden, auch den Vater ehren (Joh 5,23). Letztendlich gab Jesus seinen Jünger die Verheißung: "was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun." (Joh 14,14).


    Somit ist es nicht erstaunlich, dass sich die ersten Christen als solche auszeichneten, die den "Namen des Herrn Jesus an jedem Ort anriefen" (1Kor 1,2).


    Es bleibt also dabei, dass wir sowohl zu Jesus Christus direkt beten können, als auch zu Gott, unserem Vater (im Namen Jesu, der uns den Weg zum Vater eröffnet hat).


    Im Gebet sollten wir uns bewusst sein, ob wir gerade zum Vater oder zum Sohn beten. Es wäre z. B. unpassend, Gott, den Vater, dafür zu danken, dass er für uns am Kreuz gestorben ist - denn das trifft nur auf Jesus Christus zu.

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